Blut Schatten
Antworten oder möchtet ihr weitere Verluste erleiden?«, stellte Darian die Bande vor die Wahl.
Nachdem sie einander ängstlich angesehen hatten, trat der Mutigste einen halben Schritt auf meinen Mann zu. Es war ein kleiner, dicklicher Junge mit Pausbacken und dunkelbraunen Locken, die ihm ständig ins Gesicht fielen. Mehrmals pustete er sie fort und fixierte uns, ehe er mit leicht zittriger Stimme sagte: »Brandan ist jetzt tot, und die anderen auch. Ich werde wohl an seine Stelle treten müssen.« Er sah sich vorsichtig um, trat einen weiteren Schritt vor und straffte die Schultern. »Ehe ich mit euch rede, will ich wissen, ob ihr uns am Leben lasst.«
Ein amüsiertes Kichern ließ den Jungen zusammenfahren, und sein ängstlicher Blick erreichte Steven. »Entschuldige, Kleiner, aber du kannst das nicht wirklich als Leben bezeichnen. Das ist höchstens ein Vegetieren. Ihr seid doch gar nicht fähig zum Überleben.«
»Wer hat euch das angetan?«, konnte ich mein Mitgefühl für diese armen Kreaturen nicht weiter verbergen. Diverse Kratzer am Rücken und der lange Riss in meinem Hosenbein inklusive der zerkratzten Haut darunter hatten mir ihr wahres Wesen überdeutlich in Erinnerung gebracht, und ich war mir sicher, dass die Kratzer von vorhin auch von einem dieser bissigen Gören stammten, aber dennoch Kinder.
»Sie sind ohne Familie. Verlassene Streuner«, erklärte Darian gelassen. »Erschaffen aus Spaß und weggeworfen wie leere Flaschen. Sie sind ihrem eigenen Schicksal überlassen, Faye. Und niemand wird daran etwas ändern.«
»Wer macht so etwas?«, fragte Kimberly nüchtern neugierig.
»Unter anderem ein Vampir namens Ahjarvir«, meinte Steven trok-ken und zuckte mit den Schultern, als unsere Blicke ihn erfassten. »Was denn? Das hat mir das Häppchen vorhin verraten.«
»Kannst du deine Zähne nicht einmal aus Dingen lassen, die ungesund sind?«, brauste Alistair auf und fixierte Steven.
Diesmal schien es ihn nicht einzuschüchtern, denn er sah meinen Bruder provokant an. »Zumindest bin ich gegen Tollwut und Parasiten resistent, falls die so was hatten. Das kannst du Flohzirkus von dir nicht unbedingt behaupten.«
Ein tiefes, kehliges Knurren antwortete.
»Ahjarvir. Interessant«, murmelte Darian nachdenklich, ließ sich von dem Geplänkel jedoch nicht weiter beirren. Er betrachtete den Jungen vor sich genauer. »Wer hat dich erschaffen?«
»Weiß ich nicht«, antwortete dieser trotzig. »Es ist mir auch egal. Ich brauche niemanden.«
»Das hat man ja gesehen«, höhnte Kimberly. »Muss ganz schön ätzend sein, so ohne Familie. Wie viele seid ihr?«
»Wir sind der Rest«, kam es kläglich aus der Gruppe, und hervor trat ein kleines Mädchen, das mit seinen rotblonden, schmutzigen Zöpfen und dem verschmierten, runden Gesicht entschieden zu unschuldig für das aussah, was es tatsächlich war.
Bei ihrem Anblick schossen starke Gefühle in mir hoch, die ich nicht steuern konnte. Sie sah aus, wie ich mir meine Kleine mit vier oder fünf Jahren vorstellte. Mein Gott! Wer hatte sich an diesen Kindern so vergangen? Ohne es in der Gewalt zu haben, ging ich in die Hocke und sah sie bekümmert an. »Wie alt bist du, Kleines?«
»Faye!«, brüllte mein Bruder plötzlich. Da fing Darian das Mädchen bereits ab, das mit einer ungeahnten Geschwindigkeit auf mich zugeschossen war, meinen Hals als Ziel fest im Blick.
Bestürzt stolperte ich zurück, landete auf meinem Gesäß und konnte nur noch fassungslos zuschauen, wie Steven und Alistair gleichzeitig unter den Kindern wüteten und sie binnen Bruchteilen von Sekunden komplett vernichteten. Darian hingegen nahm sehr bedächtig sämtliche Informationen durch das Blut der Kleinen in sich auf und ließ sie dann gleichgültig fallen. Beim Aufprall auf den Boden zersplitterte ihr lebloser Leib wie Glas und verwandelte sich anschließend in Staub.
Wie in Trance blieb ich auf dem Boden sitzen und betrachtete das Geschehen um mich, als sei ich nicht wirklich dabei. Und immer wieder stieg das bezaubernde Puppengesicht des Mädchens vor meinem geistigen Auge auf, ehe es sich in eine bösartige Fratze verwandelt hatte. Ich bemerkte nicht, wie mir die Tränen über die Wangen liefen und auf den staubbedeckten Boden fielen. Ich wusste nur, dass ich irgendwie befürchtete, mein Kind könnte ein ähnliches Schicksal erleiden. Ebenso wie ich wusste, das mit allen mir möglichen Mitteln verhindern zu wollen.
»Verdammt, Faye!« Darians zornige Worte holten mich
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