Blut Schatten
hielt Letavian, der mich interessiert musterte, weiterhin in Schach.
Ein Ruck und Alistair ließ meinen Arm los. Die Federn verschwanden in meinem Hosenbund, gleich darauf kniete ich neben dem dunklen Vampir, sah ihm fest ins Gesicht. Darians Miene spannte sich an, doch er schritt nicht ein.
»Faye!«
»Lass sie, Duncan. Sie weiß, was sie tut.«
Ich hoffte, er hatte recht, denn sicher war ich mir nicht. Es fühlte sich eher wie ein Automatismus an. Wie ein innerer Zwang, der mich etwas tun ließ, was sich beinahe meiner Kontrolle entzog. Jedoch nur beinahe. Langsam beugte ich mich vor, bis meine Lippen dicht an Letavians Ohr lagen. »Wer hat dich geschickt?«
Schlagartig veränderte sich sein Blick. Hatte vorher noch Arroganz in seinen Augen gestanden, so trat nun offene Verblüffung hinein, gepaart mit einem Hauch Sorge.
»Du solltest ihr besser eine Antwort geben«, meinte Darian ernst. »Sie wird verdammt unangenehm, wenn du es nicht tust. Und glaube mir, du möchtest sie so nicht erleben.«
Mit hochgezogenen Brauen gönnte ich Darian einen bittersüßen Blick. Er lächelte gequält zurück.
Letavians Blick flog zwischen uns umher, dann trat in seine Augen ein lauernder Ausdruck. »Lass mich aufstehen.«
»Du gefällst mir am Boden ganz gut«, knurrte mein Bruder dazwischen.
Noch einmal sah ich Letavian fest an. »Sprich.«
Er presste die Lippen aufeinander. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich seinen Blick als trotzig definieren. Wollte er mich herausfordern? Wollte er mich verärgern, erleben, was Darians Worte ihm androhten? So blöd konnte doch kein Vampir sein. Augenblick, so schlimm war ich doch gar nicht. Oder doch?
»Also gut, dann eben anders.« Ich seufzte leise, legte ihm die rechte Hand in Herzhöhe auf die Brust und schloss die Augen. Was immer ich nun tat, es geschah instinktiv. Meine Handfläche wurde siedend heiß. Ein gleißender Strahl trat daraus hervor, schoss in seinen Brustraum und füllte ihn von innen nach außen an, tobte durch seine brachliegenden Organe und erweckte einige von ihnen zum Leben. Ich fühlte, wie er sich zu wehren begann, und ich wusste, dass es zwecklos war. Was immer mich zu diesem Tun verleitete, es war weitaus stärker und mächtiger als mein eigener Wille. Und Letavians Gegenwehr.
Sein Schrei war so echt wie seine Qual. Ich wusste, dass er ins Leben zurückgeholt wurde und abermals starb, sämtliche Qualen seiner einstigen Verwandlung nochmals durchlebte. Gab es etwas Grausameres, als das eigene Sterben erneut vor Augen geführt zu bekommen? Mit allen Konsequenzen, mit allen Schmerzen?
Und doch durfte es mich nicht kümmern. Er hatte sein Schicksal durch seine Verweigerung der Kooperation selbst gewählt. Ich musste mir holen, was ich brauchte.
Bilder jagten vor meinen inneren Augen vorbei, wichtige und weniger wichtige, bis ich eins festhalten konnte. Abrupt ließ ich von ihm ab und erhob mich. Ich hatte erhalten, wonach ich gesucht hatte.
»Lasst ihn gehen, er stellt keine Gefahr mehr dar.«
Ruhig überquerte ich die Straße, im Schein der Lampen für alle sichtbar. Inmitten eines Lichtkegels blieb ich stehen, sah hinauf in den Himmel, dann die Straße entlang. Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich sie. Wie zuvor in meiner Vision hob sie sich dunkel gegen den Hintergrund ab. Ihr langes Haar bewegte sich leicht im Wind, sie selbst blieb regungslos.
Wer bist du?
Meine Gedanken flogen ins Leere. Sie war verschwunden. Hatte ich es mir vielleicht nur eingebildet? Nein. Vor einigen Wochen noch hätte ich es als Trugbild abgetan. Heute nicht mehr. Wer immer sie war, ich schickte ihr ein Danke nach. Meine Finger fuhren kurz über die Dattel in meinem Ausschnitt. Nachdenklich sah ich mich um. Dann straffte ich die Schultern und trat auf Dad und Kimberly zu. Sanft legte ich ihr einen Arm um und führte sie fort vom Schauplatz des Geschehens, zurück ins Gebäude. »Komm, wir machen dir erst einmal einen starken Tee. Die Männer kümmern sich um alles Weitere.«
- Kapitel Zwölf -
E s ging zu leicht«, sagte Darian, als er Alistairs Küche betrat.
»Richtig.« Ich stellte den gefüllten Wasserkessel auf den Herd und schaltete die Gasflamme an. Dann ging ich zurück zu Kimberly, die in sich zusammengesunken auf dem Küchenstuhl hockte und weiterhin um Fassung rang. Dad kniete neben ihr, hielt ihre Hand und blickte bei Darians Eintreten kurz auf. Ich nahm das feuchte Tuch von ihrem Hals und betrachtete die kleinen Kratzer von Letavians Zähnen.
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