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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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nicht mit absoluter Sicherheit wissen will.
    Er stand auf, ging zur Rückseite des VDT und spähte durch die Schlitze. Ja, es war, wie Nordhoff gesagt hatte. Drähte mit der Aufschrift RADIO SHACK MADE IN TAIWAN. Drähte mit den Aufschriften Western Electric und Westrex und Erector Set, letztere mit dem kleinen Markenzeichen »r« in einem Kreis. Und er sah noch etwas anderes, was Nordhoff entweder entgangen war oder was er nicht erwähnen wollte. Da drin befand sich auch ein Lionel-Eisenbahntransformator, der verkabelt war wie Frankensteins Braut.
    »Herrgott«, sagte er lachend, aber plötzlich den Tränen nahe. »Mein Gott, Jonny, was wolltest du herstellen?«
    Aber er wusste auch das. Seit Jahren träumte und redete er davon, einen Textcomputer zu besitzen, und als Linas sarkastisches Lachen unerträglich sarkastisch geworden war, hatte er sich mit Jon darüber unterhalten. »Ich könnte schneller schreiben, schneller überarbeiten und mehr veröffentlichen«, hatte er Jon letzten Sommer erzählt, erinnerte er sich – der Junge hatte ihn ernst angesehen, seine hellblauen Augen waren intelligent und wachsam und wurden von der Brille vergrößert. »Es wäre toll … wirklich toll.«
    »Warum kaufst du dir dann keinen, Onkel Rich?«
    »Sie verschenken sie nicht gerade«, hatte Richard lächelnd geantwortet. »Die Modelle von Radio Shack kosten ab drei Riesen aufwärts. Von da an kann man sich hocharbeiten bis achtzehntausend Dollar.«
    »Vielleicht baue ich dir einmal einen«, hatte Jon gesagt.
    »Vielleicht«, hatte Richard gesagt und ihm auf den Rücken geklopft. Und bis Nordhoff angerufen hatte, hatte er überhaupt nicht mehr daran gedacht.
    Drähte aus Elektromodellbaukästen.
    Ein Lionel-Eisenbahntransformator.
    Herrgott.
    Er ging wieder zur Vorderseite und wollte es ausschalten, als würde er, wenn er tatsächlich etwas zu schreiben versuchte und es klappte nicht, die Absicht seines ernsten, sensiblen
    (todgeweihten)
    Neffen entweihen.
    Stattdessen drückte er die Taste EXECUTE. Ein seltsamer Schauder lief ihm dabei über den Rücken – wenn man darüber nachdachte, war EXECUTE ein komisches Wort. Ein Wort, das man nicht mit Computern assoziierte; er assoziierte es mit Gaskammern und elektrischen Stühlen … und vielleicht mit staubigen alten Lieferwagen, die über den Straßenrand stürzten.
    EXECUTE.
    Die CPU summte lauter als alle, die er je gehört hatte, wenn er sich Textcomputer in Fachgeschäften angesehen hatte; sie dröhnte fast. Was ist im Speicher, Jon?, dachte er. Bettfedern? Eisenbahntransformatoren in Reihenschaltung? Suppendosen? Er dachte wieder an Jons Augen, das ruhige und zarte Gesicht. War es sonderbar, vielleicht sogar krank, auf den Sohn eines anderen Mannes eifersüchtig zu sein?
    Aber er hätte meiner sein müssen. Ich wusste es … und ich glaube, er wusste es auch. Und dann war da Belinda, Rogers Frau. Belinda, die an regnerischen und bewölkten Tagen zu oft Sonnenbrillen trug. Große, weil Blutergüsse um die Augen sich gerne ausbreiten. Manchmal hatte er sie angesehen, wenn sie still und wachsam unter dem Schirm von Rogers brüllendem Gelächter saß und hatte fast dasselbe gedacht: Sie hätte meine sein müssen.
    Es war ein erschreckender Gedanke, denn beide hatten Belinda in der Highschool gekannt und waren beide mit ihr ausgegangen. Er und Roger waren zwei Jahre auseinander, und Belinda genau dazwischen – ein Jahr älter als Richard und ein Jahr jünger als Roger. Richard war sogar als Erster mit dem Mädchen ausgegangen, das aufwuchs und Jons Mutter wurde. Dann war Roger dazwischengetreten, der ältere und größere, Roger, der immer bekam, was er wollte, Roger, der einem wehtat, wenn man versuchte, sich ihm in den Weg zu stellen.
    Ich bekam Angst. Ich bekam Angst und überließ sie ihm. War es so einfach? Lieber Gott, steh mir bei, ich glaube, es war so. Es wäre mir lieber, wenn es anders wäre, aber vielleicht ist es besser, sich nichts vorzumachen, wenn es um so etwas wie Feigheit geht. Und Scham.
    Und wenn es tatsächlich stimmte – wenn Lina und Seth zu seinem Taugenichts von Bruder und Belinda und Jon zu ihm gehört hatten, was bewies das? Und wie sollte ein denkender Mensch mit einer so absurd ausgeglichenen Verwicklung fertigwerden? Sollte er lachen? Sollte er schreien? Sollte er sich eine Kugel durch den Kopf jagen?
    Würde mich nicht wundern, wenn er funktioniert. Würde mich überhaupt nicht wundern.
    EXECUTE.
    Seine Finger glitten rasch über die

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