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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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die er im Laufe der Jahre weggeworfen hatte – beiseite gelegt, vergessen oder mutwillig kaputt gemacht. Er sah zu dem Textcomputer. »Dann funktioniert er nicht.«
    »Da wäre ich mir gar nicht so sicher, bis ich ihn ausprobiert hätte«, sagte Nordhoff. »Der Junge war fast ein elektrotechnisches Genie.«
    »Ich glaube, Sie übertreiben. Ich weiß, dass er eine Begabung für technische Dinge hatte, und in der sechsten Klasse die State Science Fair gewonnen hat …«
    »Obwohl die anderen Teilnehmer viel älter waren – manche sogar Highschool-Abgänger«, sagte Nordhoff. »Das hat seine Mutter gesagt.«
    »Stimmt. Wir waren alle sehr stolz auf ihn.« Was nicht ganz stimmte. Richard war stolz gewesen, und Jons Mutter war stolz gewesen; der Vater des Jungen hatte sich einen Scheißdreck daraus gemacht. »Aber Science-Fair-Projekte und ein selbstgebastelter Wortprozessor …« Er zuckte die Achseln.
    Nordhoff stellte sein Bier ab. »In den Fünfzigerjahren gab es einen Jungen, der aus zwei Suppendosen und elektrischem Zubehör im Wert von etwa fünf Dollar einen Atomspalter konstruiert hat«, sagte er. »Jon hat mir davon erzählt. Und er sagte, in einem Kuhdorf in New Mexico hätte 1954 ein Junge Tachyonen entdeckt – negative Teilchen, die sich angeblich rückwärts durch die Zeit bewegen. Ein Junge in Waterbury, Connecticut – elf Jahre alt – hat aus dem Zelluloid, das er von den Rückseiten von Spielkarten abkratzte, eine Bombe fabriziert. Er hat damit eine leere Hundehütte in die Luft gejagt. Kinder sind manchmal komisch. Besonders die Superintelligenten. Vielleicht erleben Sie eine Überraschung.«
    »Vielleicht. Vielleicht schon.«
    »Er war jedenfalls ein toller Junge.«
    »Sie haben ihn ein wenig gern gehabt, ja?«
    »Mr. Hagstrom«, sagte Nordhoff. »Ich habe ihn sehr gern gehabt. Er war ein ungewöhnlich netter Junge.«
    Und Richard dachte, wie merkwürdig es war – sein Bruder, der seit seinem sechsten Lebensjahr ein absoluter Scheißkerl gewesen war, hatte eine gute Frau und einen netten, klugen Sohn bekommen. Er selbst, der sich immer bemüht hatte, freundlich und gut zu sein (was auch immer »gut« in dieser verrückten Welt bedeuten mochte), hatte Lina geheiratet, die sich zu einer mürrischen, fetten Frau entwickelt hatte, und Seth von ihr bekommen. Als er Nordhoffs ehrliches, müdes Gesicht betrachtete, fragte er sich, wie das genau hatte passieren können und inwieweit es seine eigene Schuld war, eine logische Folge seiner eigenen Schwäche.
    »Ja«, sagte er. »Das war er, oder nicht?«
    »Würde mich nicht wundern, wenn er funktioniert«, sagte Nordhoff. »Würde mich überhaupt nicht wundern.«
     
    Als Nordhoff gegangen war, steckte Richard Hagstrom den Stecker des Textcomputers ein und schaltete ihn an. Ein Summen ertönte, und er wartete, ob die Buchstaben IBM auf dem Bildschirm aufleuchten würden. Sie leuchteten nicht. Stattdessen tauchten unheimlicherweise, wie eine Stimme aus dem Grab, folgende Worte wie grüne Gespenster aus der Dunkelheit auf: ALLES GUTE ZUM GEBURTSTAG, ONKEL RICHARD! JON.
    »Herrgott«, flüsterte Richard und setzte sich ruckartig. Der Unfall, bei dem sein Bruder mit Frau und Sohn ums Leben gekommen waren, hatte sich vor zwei Wochen ereignet  – sie waren auf der Rückfahrt von einem Tagesausflug, Roger war betrunken. Betrunken zu sein war ein völlig normaler Zustand für Roger Hagstrom. Aber diesmal hatte ihn das Glück einfach verlassen, und er hatte seinen staubigen alten Lieferwagen in einen dreißig Meter tiefen Abgrund gefahren. Dieser war zerschellt und ausgebrannt. Jon war vierzehn – nein, fünfzehn. Ein paar Tage vor dem Unfall ist er fünfzehn geworden, wie der alte Mann gesagt hat. Nur noch drei Jahre, dann wäre er von diesem schwerfälligen dummen Bär befreit gewesen. Sein Geburtstag … und meiner steht auch bevor.
    In einer Woche. Der Textcomputer war Jons Geburtstagsgeschenk für ihn gewesen.
    Irgendwie machte es das noch schlimmer. Richard hätte nicht genau sagen können wie oder warum, aber es war so. Er wollte den Bildschirm abschalten, zog die Hand aber wieder zurück.
    Ein Junge hat aus zwei Suppendosen und elektrischem Zubehör im Wert von etwa fünf Dollar einen Atomspalter gebaut.
    Klar, und die Kanalisation von New York City ist voll Alligatoren, und die US-Luftwaffe hat irgendwo in Nebraska die Leiche eines Außerirdischen auf Eis liegen. Erzähl mir noch mehr. Alles Blödsinn. Aber vielleicht ist das etwas, was ich

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