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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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zu kommen, und würde mich versehentlich für ein Rudergerät halten. Für Reg war die Kugel tödlich. Er … aber ich erzähle Ihnen eine Geschichte, die Sie vielleicht gar nicht hören wollen.«
    Er sah fragend in die Runde. Der Agent und seine Frauen sahen einander unsicher an, und die Frau des Schriftstellers wollte gerade sagen, sie hätte genug von diesem makabren Thema, als ihr Mann sagte: »Ich würde sie gern hören. Das heißt, wenn es Ihnen nichts ausmacht, sie aus persönlichen Gründen zu erzählen.«
    »Ich habe sie noch nie erzählt«, sagte der Redakteur. »Das hatte aber keine persönlichen Gründe. Vielleicht hatte ich nie die richtigen Zuhörer.«
    »Dann schießen Sie los«, sagte der Schriftsteller.
    »Paul …« Seine Frau legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Glaubst du nicht …«
    »Nicht jetzt, Meg.«
    Der Redakteur sagte:
    »Die Story kam mit der Post, aber zu der Zeit wurden bei Logan’s keine unaufgefordert eingesandten Manuskripte mehr gelesen. Wenn sie ankamen, steckte das Mädchen in der Postabteilung sie einfach in Rückumschläge, zusammen mit einem kurzen Brief, in dem stand: ›Aufgrund der wachsenden Kosten und der wachsenden Überlastung der Redakteure, einer wachsenden Flut von eingereichten Arbeiten Herr zu werden, werden bei Logan’s unaufgefordert eingesandte Manuskripte nicht mehr gelesen. Wir wünschen Ihnen viel Glück bei Ihren Bemühungen, Ihre Arbeit anderswo unterzubringen. ‹ Ist das nicht ein schauderhaftes Kauderwelsch? Es ist gar nicht so einfach, in einem einzigen Satz dreimal das Wort ›wachsend‹ zu verwenden, aber sie haben es geschafft.«
    »Und wenn kein Rückumschlag beigefügt war, landete das Manuskript im Papierkorb«, sagte der Schriftsteller. »Richtig?«
    »Aber selbstverständlich. Die nackte Großstadt kennt kein Erbarmen.«
    Ein merkwürdiger Ausdruck des Unbehagens huschte über das Gesicht des Schriftstellers. Es war der Ausdruck eines Mannes, der sich in einer Löwengrube befindet, wo schon Dutzende besserer Leute in Stücke gerissen worden sind. Bisher hat dieser Mann noch keinen Löwen zu Gesicht bekommen. Aber er spürt, dass sie da und ihre Krallen immer noch scharf sind.
    »Wie auch immer«, sagte der Redakteur und holte sein Zigarettenetui hervor. »Diese Kurzgeschichte kam bei uns an, und das Mädchen in der Postabteilung holte sie aus dem Umschlag, heftete den vervielfältigten Brief an die erste Seite und wollte das Manuskript gerade in den Rückumschlag schieben, als ihr Blick auf den Namen des Autors fiel. Nun, sie hatte Underworld Figures gelesen. Diesen Herbst hatte jeder es gelesen oder las es gerade oder stand auf der Warteliste der Büchereien oder suchte in Drugstores nach der Taschenbuchausgabe.«
    Die Frau des Schriftstellers, der das momentane Unbehagen im Gesicht ihres Mannes nicht entgangen war, nahm seine Hand. Er lächelte ihr zu. Der Redakteur hielt ein goldenes Ronson-Feuerzeug an seine Zigarette, und im Schein der Flamme konnten sie alle sehen, wie verhärmt sein Gesicht war – die schlaffen, krokodilhäutigen Säcke unter den Augen, die zerfurchten Wangen, das spitze Kinn eines Greises, das aus dem Gesicht eines Mannes Ende der mittleren Jahre ragte wie der Bug eines Schiffes. Dieses Schiff trägt den Namen Alter, dachte der Schriftsteller. Niemand legt besonderen Wert darauf, damit zu fahren, und doch sind alle Luxuskabinen belegt. Die Kajüten übrigens auch.
    Die Flamme erlosch, und der Redakteur paffte nachdenklich an seiner Zigarette.
    »Die Angestellte in der Postabteilung, die diese Geschichte las und weitergab, anstatt sie zurückzuschicken, ist heute Redakteurin bei G.P. Putman’s Sons. Ihr Name ist unwichtig; wichtig ist, dass sich auf dem großen Diagramm des Lebens die Vektoren dieses jungen Mädchens und Thorpes in der Postabteilung von Logan’s Magazine kreuzten. Der Vektor des Mädchens wies nach oben, Thorpes nach unten. Sie gab die Geschichte ihrem Chef, und der wiederum gab sie mir. Ich las sie und war begeistert. Sie war etwas zu lang, aber ich sah, wo Thorpe sie mühelos um fünfhundert Worte kürzen konnte. Und das war mehr als genug.«
    »Wovon handelte sie?«, fragte der Schriftsteller.
    »Eigentlich müssten Sie das schon erraten haben«, sagte der Redakteur. »Sie passt prima zum Thema.«
    »Vom Wahnsinnigwerden?«
    »Ja, tatsächlich. Was lernt man als Erstes im ersten Schreibkurs auf dem College? Schreiben Sie über das, was Sie kennen. Reg Thorpe kannte den Wahnsinn, weil er

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