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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sollten etwas Warmes in den Bauch bekommen.«
    »Und Ihnen Gelegenheit geben, weiter zu reden? Ich bin in viel zu vielen Gerichtssälen gewesen, um darauf reinzufallen. Sie haben ohnehin schon ein halbes Dutzend meiner Leute vergrault.«
    »Ihrer Leute?«, stöhnte Hatlen fast. »Ihrer Leute? Mein Gott, wie können Sie nur so reden? Es sind Menschen, sonst nichts. Das ist kein Spiel und auch kein Gerichtssaal. Da sind, in Ermangelung eines besseren Wortes, Dinge draußen, und welchen Sinn hat es, sich von ihnen umbringen zu lassen?«
    »Dinge, sagen Sie«, erwiderte Norton amüsiert. »Wo? Ihre Leute halten schon seit einigen Stunden nach ihnen Ausschau. Wer hat eines gesehen?«
    »Nun, hinten. Im …«
    »Nein, nein, nein«, sagte Norton kopfschüttelnd. »Das haben wir schon durchgekaut. Wir gehen raus …«
    »Nein«, flüsterte jemand, und es klang wie das Rascheln toter Blätter in der Dämmerung eines Oktoberabends. Nein, nein, nein …
    »Wollen Sie uns mit Gewalt aufhalten?«, fragte eine schrille Stimme. Sie gehörte zu Nortons »Leuten«, wie er sich ausgedrückt hatte – einer älteren Frau, die eine Zweistärkenbrille trug. »Wollen Sie uns aufhalten?«
    Das leise Rauschen von »Nein, nein, nein« erstarb.
    »Nein«, sagte Mike. »Nein, ich glaube nicht, dass jemand Sie aufhalten wird.«
    Ich flüsterte Billy ins Ohr. Er sah mich bestürzt und fragend an. »Geh«, sagte ich. »Beeil dich.«
    Er ging.
    Norton fuhr sich mit den Händen durchs Haar, eine auf Wirkung bedachte Geste wie die eines Broadwayschauspielers. Er hatte mir besser gefallen, als er erfolglos an der Schnur seiner Säge gezerrt und geflucht hatte, weil er sich unbeobachtet glaubte. Ich hätte damals nicht sagen können und weiß auch jetzt nicht, ob er wirklich überzeugt von seinem Vorhaben war oder nicht. Ich glaube, tief im Innern wusste er, was passieren würde. Ich glaube, dass die Logik, für die er sein Leben lang ein Lippenbekenntnis abgelegt hatte, sich am Ende gegen ihn wandte wie ein Tiger, der böse und tückisch geworden ist.
    Er sah sich unruhig um und schien zu bedauern, dass nichts mehr zu sagen war. Dann führte er seine Anhänger durch eine der Kassen. Außer der älteren Frau bestand die Gruppe aus einem pausbäckigen, etwa zwanzigjährigen Jungen, einem jungen Mädchen und einem Mann in Blue Jeans, der eine auf den Hinterkopf geschobene Golfmütze trug.
    Nortons und meine Blicke trafen sich, seine Augen wurden etwas größer, dann sah er rasch weg.
    »Brent, warten Sie einen Moment«, sagte ich.
    »Ich möchte nicht mehr darüber diskutieren. Ganz sicher nicht mit Ihnen.«
    »Das weiß ich. Ich möchte Sie nur um einen Gefallen bitten.« Ich drehte mich um und sah, dass Billy auf die Kassen zugerannt kam.
    »Was ist das?«, fragte Norton misstrauisch, als Billy mir ein in Zellophan verpacktes Paket überreichte.
    »Wäscheleine«, sagte ich. Ich war mir vage bewusst, dass uns jetzt alle im Supermarkt beobachteten, die sich auf der anderen Seite der Kassen aufgestellt hatten. »Es ist die Großpackung. Hundert Meter.«
    »Und?«
    »Würden Sie sich ein Ende der Leine um die Taille binden, bevor Sie hinausgehen? Ich werde sie auslassen. Wenn Sie merken, dass sie sich strafft, binden Sie sie an etwas fest. Egal was. Ein Autotürgriff genügt.«
    »Wozu soll das gut sein?«
    »Damit ich weiß, dass Sie wenigstens hundert Meter weit gekommen sind«, sagte ich.
    Etwas flackerte in seinen Augen … aber nur kurz. »Nein«, sagte er.
    Ich zuckte die Achseln. »Okay. Trotzdem viel Glück.«
    Plötzlich sagte der Mann mit der Golfmütze. »Ich mach’s, Mister. Warum auch nicht?«
    Norton drehte sich zu ihm um und schien eine scharfe Bemerkung auf der Zunge zu haben, aber der Mann mit der Golfmütze sah ihn ruhig an. In seinen Augen flackerte nichts. Er hatte seine Entscheidung getroffen und keine Zweifel in sich. Auch Norton erkannte das und schwieg.
    »Danke«, sagte ich.
    Ich schlitzte die Verpackung mit einem Taschenmesser auf und die Wäscheleine klappte zieharmonikaförmig heraus. Ich fand ein loses Ende und band die Leine lose um die Taille des Mannes. Er knotete sie gleich wieder auf und befestigte sie straffer mit einem soliden Seemannsknoten. Kein Laut war im Supermarkt zu hören. Norton trat unbehaglich von einem Bein aufs andere.
    »Wollen Sie mein Messer mitnehmen?«, fragte ich den Mann mit der Golfmütze.
    »Ich hab eins.« Er sah mich mit dieser ruhigen Verachtung an. »Spulen Sie Ihre Leine nur zügig ab.

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