Blut - Skeleton Crew
Ewigkeit vor, bis die Tür hinter ihm pneumatisch ins Schloss fiel, aber danach fühlte er sich in Sicherheit. Diese Tür ließ sich nur nach innen öffnen, und er konnte sich nicht erinnern, jemals gelesen oder gehört zu haben, dass Tiger schlau genug sind, Türen zu öffnen.
Charles strich mit dem Handrücken über die Nase. Sein Herz klopfte so fest, dass er es hören konnte. Er musste immer noch in den Keller, dringender als zuvor.
Er wand sich, stöhnte und presste eine Hand auf den Bauch. Er musste wirklich in den Keller. Wenn er sich sicher sein könnte, dass niemand kam, würde er die Toilette für Mädchen benutzen. Diese befand sich auf der anderen Seite des Flurs. Charles betrachtete sie sehnsüchtig, aber er wusste, dass er es nie wagen würde, in einer Million Jahren nicht. Wenn Cathy Scott kam? Oder – schwarzes Entsetzen! – wenn Miss Bird kam?
Vielleicht hatte er sich den Tiger nur eingebildet.
Er öffnete die Tür gerade weit genug, dass er mit einem Auge hineinspähen konnte.
Der Tiger spähte ebenfalls hinter der Ecke des L hervor, sein Auge funkelte grün. Charles bildete sich ein, in diesem tiefen Glanz einen winzigen Blauen Punkt erkennen zu können, als hätte das Auge des Tigers eins von seinen gefressen. Als …
Eine Hand packte ihn im Nacken.
Charles stieß einen erstickten Schrei aus und spürte, wie ihm Herz und Magen in den Hals zu hüpfen schienen. Einen schrecklichen Augenblick glaubte er, er würde sich nass machen.
Es war Kenny Griffen, der selbstgefällig lächelte. »Miss Bird hat mich dir nachgeschickt, weil du schon sechs Jahre weg bist. Du kriegst Ärger.«
»Jaaa, aber ich kann nicht in den Keller gehen«, sagte Charles, dem schwindlig war, so sehr hatte Kenny ihm Angst gemacht.
»Haste Verstopfung!«, kicherte Kenny fröhlich. »Das muss ich Caaathy erzählen!«
»Besser nicht!«, sagte Charles eindringlich. »Außerdem stimmt es nicht. Da drin ist ein Tiger!«
»Was macht er denn?«, fragte Kenny. »Pissen?«
»Ich weiß nicht«, sagte Charles und drehte das Gesicht zur Wand. »Ich wünschte nur, er würde verschwinden.« Er brach in Tränen aus.
»He«, sagte Kenny bestürzt und ein wenig erschrocken. »He!«
»Und wenn ich gehen muss? Wenn ich nicht anders kann? Miss Bird wird sagen …«
»Komm schon!«, sagte Kenny, packte ihn mit einer Hand am Arm und stieß mit der anderen die Tür auf. »Das hast du dir ausgedacht.«
Sie waren drinnen, bevor der panische Charles sich losreißen und an die Tür drücken konnte.
»Tiger!«, sagte Kenny angewidert. »Junge, Miss Bird wird dich umbringen! «
»Er ist auf der anderen Seite.«
Kenny ging an den Waschbecken vorbei. »Miez, miez, miez? Miez?«
»Nicht!«, zischte Charles.
Kenny verschwand hinter der Ecke. »Miez, miez? Miez, miez? M…«
Charles stürzte wieder zur Tür hinaus, drückte sich zitternd an die Wand, wartete mit vor den Mund gepressten Händen und zugekniffenen Augen, wartete, wartete auf den Schrei.
Es kam kein Schrei.
Er hatte keine Ahnung, wie lange er wie erstarrt da stand, während seine Blase zu platzen drohte. Er starrte auf die Tür der Knabentoilette. Sie sagte ihm nichts. Es war nur eine Tür.
Er würde es nicht tun.
Er konnte es nicht tun.
Aber schließlich ging er doch hinein.
Die Waschbecken und die Spiegel waren sauber, der schwache Chlorgeruch unverändert. Aber daneben schien noch ein Geruch zu sein. Ein schwacher, unangenehmer Geruch wie von frisch gesägtem Kupfer.
Zitternd und stöhnend (aber lautlos) schlich er zur Ecke des L und spähte vorsichtig herum.
Der Tiger lag ausgestreckt auf dem Boden und leckte seine großen Pfoten mit einer langen rosigen Zunge. Er sah Charles gleichgültig an. Ein zerrissenes Stück Hemd hatte sich in den Krallen einer Pfote verfangen.
Aber Charles’ Bedürfnis war jetzt zu weißglühender Qual geworden, er konnte nicht mehr. Er musste. Charles schlich auf Zehenspitzen zum weißen Waschbecken gleich neben der Tür.
Miss Bird stürzte herein, als er gerade den Reißverschluss wieder hochzog.
»Du böser, schmutziger kleiner Junge«, sagte sie fast nachdenklich.
Charles bewachte die Ecke mit Argusaugen. »Es tut mir leid, Miss Bird … der Tiger … ich mach das Waschbecken sauber … mit Seife … ich schwöre es …«
»Wo ist Kenneth?«, fragte Miss Bird ruhig.
»Ich weiß nicht.«
Das stimmte tatsächlich.
»Ist er dahinten?«
»Nein!«, schrie Charles.
Miss Bird ging auf die Ecke des Raums zu. »Komm her,
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