Blut soll fließen
fünfundsechzig Kilometer weit draußen auf dem Meer. Mit geschwärzten Gesichtern, in zerschlissenen Kampfanzügen. Mit Kampfmessern und in Plastik gewickelten, schallgedämpften Magnums.
Die Haifischeskorte hüpfte und schnappte. Mesplède säuselte ihnen etwas vor. Der Köder bestand ausschließlich aus Katzeninnereien. Mesplèdes Kumpel besaß einen Katzen-mordenden Pitbull namens Batista. Batista war ein Schweinebucht-Veteran des K-9-Korps. Der sich danach verzehrte, seine Katzen in einem freien Kuba reißen zu dürfen.
Das Schnellboot flog mit rasender Geschwindigkeit über die Wellen. Crutch kämpfte gegen Zwangserinnerungen an: ans Horror-Haus, ans Versammlungsprotokoll, an Joan Klein und Thomas Frank Narduno.
Ein Haifisch streifte das Boot. Mesplède streichelte das Vieh. Der Köder stank zehnmal übler als Katzenscheiße. Sie erreichten die Zehn-Meilen-Grenze. Mesplède stellte den Motor ab und ließ sich von den Wellen an die Küste treiben.
Die Brandung schob sie zum Strand. Sie hüpften und krängten, wobei ihnen das eingedrungene Wasser bis zum Knie stand. Crutch schluckte noch mehr Dramamin und holte tief Luft.
Sie konnten die Küste sehen. Bei einer sechzig Meter vom Strand entfernten Sandbank warfen sie Anker. Mit ihren Infrarot-Feldstechern konnten sie fünf Milizen erkennen, die an einem Picknick-Tisch Karten spielten.
Exil-Nachrichtendienst. Ein Bursche im Kubanischen Freiheitskomitee hatte Franzmännchen den Tipp gegeben. Die Kartenspieler: sämtlich Folterer vom La-Cabana-Gefängnis. Die rechte Aufständische zu kastrieren pflegten. Dienstagabends verließen sie die Kaserne und spielten Karten.
Das Boot war festgemacht. Kreischende Möwen übertönten jedes Geräusch. Crutch legte eine Taucherbrille an. Mesplède eine Tauchermaske. Die Waffen waren dreifach in Plastik gewickelt.
Sie robbten sich ins Wasser. Das eiskalt war. Sie schwammen schräg rein. Eine Reihe von Bäumen am Strand verdeckte den Mond. Die Kartenspieler rauchten - Zigarettenspitzen glühten -kleine Sichtpunkte.
Sie erreichten den Strand und robbten vorwärts. Dunkler und weißer Sand bedeckte sie. Sie streiften ihr Kopfzeug ab. Sie konnten besser atmen. Crutch schluckte Sand und unterdrückte Magenkrämpfe.
Drei Meter bis zum Tisch. Zwei Gestalten, die über die Sanddüne robben. Fünf Ziele, zwölf Schuss, Nahdistanz.
Mesplede gab das Zeichen. Sie brachten sich in Position, zielten beidhändig und feuerten. Die Mündungen blitzten, die Schalldämpfer erzeugten ein dumpfes Geräusch, sie hörten den Einschlag in die Körper. Tischteile splitterten. Sie sahen Zigaretten herunterfallen. Sie hörten Schädel knacken und sahen zwei Männer vorwärts torkeln.
Drei Männer standen auf - große Körpermasse-Ziele. Drei Männer, die aufgeregt redeten und die Halfter öffneten.
Mesplede feuerte. Crutch feuerte. Sie schossen ihnen die Beine weg, ließen sie zu Boden gehen und schossen sie in den Unterbauch. Crutch wühlte den Kopf in den Boden und schluckte Sand.
Crutch hob den Kopf. Mesplede stand am Tisch. Er hatte die Taschenlampe ausgeschaltet. Crutch schwankte rüber.
Fünf tote Männer. Drei nach wie vor glühende Zigarettenspitzen.
»Skalpieren«, sagte Franzmännchen.
Crutch schüttelte den Kopf. Franzmännchen packte ihn bei den Haaren und riss ihn zum Tisch. Crutch schlug sich die Knie an und fiel in den Sand. Er war dem einen gesichtslosen Mann so nahe, dass er ihn hätte küssen können. Der Haaransatz des Mannes wies Pulververbrennungen auf. Ein Hautfetzen baumelte lose.
Franzmännchen sah zu. Crutch zog sein Messer. Er sagte stammelnd ein Kindergebet und rammte die Klinge nach unten. Er verpasste den Hautfetzen und riss von der Augenhöhle an aufwärts.
(Las Vegas, 27.12.68)
Mary Beth hatte im Bett seinen Weihnachtspulli an. Der ihr viel zu groß war. Sie versteckte ihr Kinn unter dem Rollkragen und machte sich über ihn lustig. Sie zog die Ärmel über ihre Hände.
»Es ist keineswegs sicher, dass du meinen Sohn findest, aber die Zeit und das Geld willst du auf jeden Fall investieren.«
Die Schlafzimmervorhänge standen offen. Die Nixon-Plakate waren abgenommen. Die Hotels hatten jetzt Weihnachtsfreude im Angebot. Die grünen Lichter erinnerten ihn an den Smaragd. Ihm war, als durchlebte er einen bekannten Traum.
»Dass ich ihn finden kann, ist alles andere als sicher, aber mein Instinkt tippt auf L. A. Ich baue ein Informanten-Netzwerk auf, das uns zumindest die Chance gibt, irgendwo auf irgendeine
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