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Blut soll fließen

Blut soll fließen

Titel: Blut soll fließen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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sich in ihrem Dialekt zu äußern, und dies tatsächlich zustande bringen. Mein Geschick und natürlicher Charme machen es mir möglich, mich unge-
    hemmt und ungehindert umzusehen. Ich reise zu Fuß und auf Fahrrädern und wohne in kleinen Hotels. Wo immer ich bin, erkundige ich mich auf Französisch und Englisch nach Reginald Hazzard. Ich beschreibe den jungen Schwarzen mit den Brandnarben im Gesicht; manchmal lege ich meinen Polizeiausweis vor. Viele Leute können sich erinnern, Reginald gesehen zu haben, aber keiner weiß, wo er sich aufhält. Ich habe alle Zeit der Welt, um ihn zu finden. Ich gehe nicht nach Amerika zurück.
    Die Tonton Macoute haben mich mehrmals überwacht und viermal verhört. Mein Status als amerikanischer Bulle verblüfft sie. Alle sind schurkische Polizisten und wittern in mir den Kollegen. Sie haben gesehen, wie ich Geld für Hinweise auf Reginald ausgab. Sie wissen bestimmt, wer er ist, und möglicherweise auch wo. Tonton-Männer haben mir die abschreckende Geschichte eines anderen amerikanischen Polizisten erzählt, der unbedingt das ländliche Haiti erforschen wollte. Wayne Tedrow war weiß und besaß nicht meine schützende Hautfarbe. Die Tonton-Männer haben mich nie bedroht; sie haben angedeutet, dass gutbemittelte schwarze Amerikaner sich anonyme Sicherheit erkaufen und so lange sicher in Haiti leben können, wie ihre Mittel dies erlauben. Sie haben weiterhin angedeutet, dass das bei Reginald Hazzard der Fall sein könnte, und mir darüber hinaus zu verstehen gegeben, dass ich wohl besser nach Hause gehen sollte.
    Ich bleibe. Die Tonton-Männer nehmen das mit einem gewissen Bedauern hin - weil Haiti ein gefährlicher Ort ist, weil ich ein schwarzer Bulle bin, der ihre Sprache mit gewissem Flair spricht, und weil sie mich zu mögen scheinen. Ein Tonton-Mann hat mir gesagt, dass das LAPD bei ihnen wegen meines Aufenthaltsorts nachgefragt hat. Die Tonton haben noch nicht geantwortet. Das muss eine indirekte Anfrage gewesen sein, die auf Scotty zurückgehen dürfte. Ich gab dem Mann etwas Geld und forderte ihn auf, die Anfrage abzuwimmeln. Das hat er mir versprochen.
    Ich bereise immer wieder Port-au-Prince, die größeren nahegelegenen Städte und abgelegeneren Dörfer. Ich trinke Klerin und berausche mich mit allen möglichen haitianischen Kräutern, Ich ging auf einen Kräuter-Trip und rekonstruierte Waynes letzten Tag auf Erden. Ein Bokur mischte mir ein Gebräu, das nach Wayne benannt ist. Es erzeugt eine geradezu atemberaubende geistige Landschaft. Ich sehe immer wieder Gesichter aus meiner Vergangenheit in völlig veränderter Form. Ich denke an mein Leben als Kind aus der schwarzen Mittelklasse zurück, als linker Poseur, als Polizist, als Homosexueller, als vorgeblicher schwarzer Militanter und als Killer. Ich lebe in einem kontemplativen und unbelasteten Zustand. Und empfinde nun den 24. Februar 1964 und alle meine Bemühungen, daraus Profit zu schlagen, als absolut irrelevant.
    Gelegentlich denke ich an Scotty. Ich denke oft an Wayne und am meisten an Mr. Holly. Ich liebte ihn auf eine Art und Weise, wie moralisch Gefährdete die Menschen zu lieben pflegen, die den eigenen komplexen Behauptungs- und Überlebenswillen am exemplarischsten verkörpern. Ich denke, dass wir übereinander Bescheid wussten. Zu mehr hat unsere Beziehung schließlich nicht geführt. Angesichts meiner, angesichts seiner, angesichts unserer beidseitigen Persönlichkeit, war dies eine vergleichsweise belastbare Bindung - und, was mich betrifft, mit Zuneigung verbunden. Die mich nun auf eigenartige Weise stärkt.
    Das ländliche Haiti fasziniert mich. Es ist einem wilden Gebiet von East Hollywood vergleichbar. Ich habe an einer Reihe von Voodoo-Zeremonien teilgenommen. Ich habe gesehen, wie Männer und Frauen zombifiziert wurden. Manchmal werde ich von Gruppen von Männern verfolgt, aber ich fühle mich nie bedroht. Ich denke an Wayne und unsere Unterhaltungen über den Traumzustand. Ich will mich körperlich ruhigstellen, damit ich völlig still werde und keinen Willen mehr an bewusste Gedanken und Reaktionen verschwende. Ich verfüge über einen Vorrat äußerst schlagkräftiger Kräuter und Kugelfisch-Toxine, den ich für eine besondere Gelegenheit aufbewahre. Ich trage ihn ständig bei mir. Ich suche Stimulation, und die Stimulation sucht mich. Ich will chemisch vorbereitet sein, um das Stadium der Offenbarung zu verstärken, in dem ich mich befinden mag. Ich muss oft an mein erstes Gespräch mit Mr.

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