Blut und Harz
geschafft!«
Alexander wischte ihre Sorgen mit einer lässigen Handbewegung vom Tisch. »Scheiß auf ein Fahrrad! Was ist dann passiert?«
Natalja nickte dankbar über die Absolution. »Ich … ich kam an Eriks Büro an und dort stand ein Auto. Ein Mönch kam gerade aus deinem Büro. Ich konnte mich gerade noch vor ihm verstecken.«
Erik und Alexander tauschten vielsagende Blicke. Wieder das Kloster!
»Als der Mönch weg war, ging ich hinein«, fuhr Natalja fort. »Die Tür stand offen. Innen herrschte blankes Chaos. Alles war zerstört, alle Aktenordner durchsucht. Dein PC und der deiner Sekretärin wurden gerade formatiert. Da hat jemand saubere Arbeit geleistet.«
»Aber ich dachte, Kühnle hat das Feuer gelegt?« Erik konnte nicht ganz folgen. Irgendwie ergab das alles keinen Sinn.
»Hat er auch! Als ich im Büro war, hörte ich jemanden kommen. Ich versteckte mich und sah diesen Waldbauern. Er hatte eine Brechstange und einen Benzinkanister dabei. Dann hat er dich zum Teufel gewünscht und alles angezündet. Ich konnte mich gerade noch rechtzeitig durch dein Bürofenster retten.« Sie hob erklärend den Arm. »Dabei habe ich mich geschnitten. Ist aber nur halb so schlimm.«
Erik ließ sich von den Informationen übermannt an die Wand sinken. Das war doch alles Irrsinn!
Die ruhige Stimme Alexanders ertönte: »Ich schaue mir nach dem Essen gleich die Wunde an und verarzte sie. Ich habe alles Nötige hier.«
Natalja nickte dankend und blickte zwischen ihnen hin und her. »Was wollt ihr eigentlich als nächstes unternehmen? Rumsitzen, essen und Däumchen drehen bringt uns sicher nicht weiter, oder sehe ich das falsch?«
»Da hast du Recht. Wir werden heute Nacht aber vorerst hier bleiben und auf den Anruf von Bruder Raphael warten«, wand Alexander kauend ein. »Was Anderes bleibt uns momentan gar nicht übrig. Außerdem brauchen wir alle etwas Ruhe und Erholung. Für euch beide war der Tag noch wesentlich anstrengender als für mich. Ich bin zurzeit gut in Form.«
Erik konnte nur zustimmend den Kopf neigen. Der ganze Tag war eine einzige Hetzjagd gewesen, ein flirrendes Feuerwerk von Furcht, Angst und Panik. Seine Nerven waren überreizt. Er merkte, dass er bei dem kleinsten, ungewohnten Geräusch alarmiert zusammenzuckte. Er brauchte dringend etwas Schlaf. Wären der Kaffee und die Zigarillos nicht gewesen, er würde schon am Rande der Träume schlummern. Der Körper forderte einfach irgendwann seinen Tribut.
»Ein gemütlicher Familienabend auf dem Campingplatz also«, sagte Natalja sarkastisch. »Das hatte ich mir schon immer gewünscht.« Würde sie bei ihren Worten nicht aussehen, als würde sie gerade eine bittere Medizin schlucken, hätte Erik gelächelt. Doch auch er spürte das Damoklesschwert über ihren Köpfen schweben und gerne hätte er auf die Annehmlichkeiten des Wohnwagens verzichtet und stattdessen seinen Sohn gesund und munter in die Arme genommen.
So konnten sie wirklich nur warten. Erik hasste es. Geduld konnte er nicht gerade zu seinen Stärken zählen, auch wenn er sich als Geschäftsmann zur richtigen Zeit immer zurückgehalten hatte. Ein winziges Gespür dafür war vorhanden, doch es kostete ihn unglaubliche Überwindung. Am liebsten würde er immer alles sofort regeln.
Jetzt blieb ihm jedoch keine andere Wahl. Er hatte die Zügel nicht mehr in der Hand. Die Kutsche rauschte mit wild galoppierenden Pferden dahin, sie darin eingesperrt. Erik hoffte nur, dass auf ihrem Weg kein steiler Abgrund wartete.
»Ja«, wiederholte er nochmals. »Ein gemütlicher Familienabend.«
Kapitel 17
Spätsommerliche Hitze kniff Reimund wie eine alte Tante begrüßend in die Wangen, als er aus dem klimatisierten Taxi ausstieg und den Kopf Richtung Süden drehte. Die Sonne war erst vor kurzem untergegangen, doch der Himmel lächelte ihm noch freundlich entgegen.
Vor ihm erstreckte sich der breite Sandstrand der Costa del Sol endlos nach links und nach rechts, verlor sich in der Weite. Direkt am Wasser lagen nur noch vereinzelt Gäste, die meisten waren bereits gegangen oder auf dem Weg zum Abendessen; um halb Neun Abends aber in Andalusien eine Normalität. Deutlich mehr Menschen schlenderten an der Strandpromenade entlang, passierten lachend und fröhlich plappernd Reimund, den der Taxifahrer genau dort abgesetzt hatte.
Altehrwürdige Palmen säumten die Straße, ihre ausgefransten, aufgefächerten Palmwedel wogten sich sachte im salzigen Wind, der vom Meer heraufwehte. Gleichzeitig lag der
Weitere Kostenlose Bücher