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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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ignorieren.
    Sein Blick fiel dabei auf den Boden. Unter einem Ast eingeklemmt lag sein voll bestückter Waffengurt, keine zwei Meter von ihm entfernt. Eine innere Ahnung beschlich ihn, dass er seine Ausrüstung noch brauchen würde. Er bückte sich pfeifend, packte den Lederholster, zog ihn unter dem gesplitterten Ast hervor und schlüpfte mit zusammengebissenen Zähnen hinein. Der Schmerz trieb ihm Tränen in die Augen, doch er drängte die Gedanken an die gebrochene Rippe zurück. Das war das kleinste Problem. Schlimmer wäre es gewesen, wäre nur eine der Handgranaten, die an seinem Holster befestigt waren, in die Luft geflogen. Dann würde er bereits seinen Onkel umarmen.
    Alexander schüttelte den Kopf, um das dumpfe Dröhnen loszuwerden, dann stapfte er vorsichtig los, schlängelte sich durch das Chaos auf das menschliche Keuchen zu. Er musste Natalja und Erik finden!
    Fieberhaft tappte er im Zickzackkurs durch die kopfstehende Welt. Äste schienen aus dem Boden zu wachsen und über ihm spannte sich kein Blätterdach auf, sondern nur blanker Himmel.
    Plötzlich stand er vor Erik, der unter einem Ast eingeklemmt am Boden lag. Seine Augen waren geschlossen. Die Gasflasche neben ihm zischte schrill, erinnerte Alexander an das eklige Geräusch eines Zahnarztbohrers. Das Pfeifen wurde lauter, dann verstummte der Strom an entweichendem Gas.
    Alexander ging vor Erik in die Knie. »Scheiße!« brüllte er. »Erik!? Hörst du mich?«
    Der Angesprochene öffnete die Augen. »Alexander! Du musst-«
    »Ich heb den Ast an, dann bist du frei.«
    »Nein! Natalja!« keuchte Erik kopfschüttelnd. Sein Atem ging rasselnd.
    »Wo ist sie?«
    »Entführt!«
    »Entführt?«
    »Ein Mönch!« Die Silben kamen stoßweise. Offenbar hatte Erik Probleme, richtig Luft zu holen. Er schluckte schwer. »Sie stand vor mir, wollte helfen, als ein Mönch auftauchte und sie mit sich zerrte! Schnell! Rette sie!«
    Ein qualvolles Husten schüttelte Eriks Körper.
    Ein Mönch? Natalja entführt? Die Worte waren abstrus, aber Alexander wunderte am heutigen Tag gar nichts mehr. Er sah sich augenblicklich in alle Richtungen um.
    »Wo sind sie hin?« fragte er zischend. »Welchen Weg haben sie genommen?« Alexander zückte bereits eine seiner Pistolen.
    Erik wischte sich mit einer Hand das Blut aus den Augen, das ihm von der Stirn ins Gesicht lief und deutete in Richtung des Waldes. »Dorthin!« keuchte er schwer. »Beeil dich!«
    »Okay! Aber kratz mir nicht ab, verstanden?«
    Erik nickte und schloss mit verzerrtem Gesichtsausdruck die Augen.
    Alexander war zu diesem Zeitpunkt bereits unterwegs.
    So schnell er mit seiner gebrochenen Rippe rennen konnte, eilte er durch das Gewirr von hervorstehenden Ästen und Trümmern. Er wich ständig nach links oder rechts aus, sprang über Äste hinweg. Im Nebel konnte er eine niedergedrückte Hecke erkennen. Alexander beschleunigte seine Schritte. Es war der einzige Weg, wohin der Mönch mit Natalja geflohen sein konnte.
    Er würde sie einholen.
    Das schwor er sich.
    Bei seiner Ehre und seinem Leben.
    ***
    Erik hob nochmals den Kopf, um Alexander hinterher zu blicken. Er sah gerade noch, wie der Russe in der Dunkelheit verschwand.
    Erschöpft ließ Erik den Kopf erneut sinken. Jetzt konnte er nichts anderes mehr tun, als warten. Alleine in der Düsternis, eingeklemmt unter einem Ast. Das Atmen fiel ihm schwer, da das Gewicht des Holzes genau auf seinem Brustkorb lastete. Der Schein der Weglaterne schien ihm schräg ins Gesicht.
    Es war genauso wie damals.
    Von einem Augenblick zum anderen befand er sich wieder im heimischen Geräteschuppen, der sich geduckt an das alte Wohnhaus seines Vaters anschmiegte. Schwindende Lichtstrahlen fielen diagonal durch die Bretterverkleidung, zeichneten helle Linien, die einem Zebra glichen, über die abgewetzten Gerätschaften, Sägen und Gartenwerkzeuge.
    Klein Erik turnte über einen Haufen Feuerholz, um an die versteckte Leiter zu kommen, über die man in den winzigen Dachboden des Schuppens klettern konnte. Dort stand er immer erhobenen Hauptes zwischen alten Schachteln und Kisten, befehligte seine imaginären Untertanen – entgegen aller Warnungen und Verbote seiner Eltern.
    Behänd kraxelte er weiter über den säuberlich aufgestapelten Holzschnitt. Trockene Rinde rieselte unter seinen Sohlen zu Boden. Es roch moosig, muffig und staubig zugleich.
    Plötzlich löste sich ein Stammstück unter seinen flinken Füßen. Es sackte nach unten weg. Erik verlor den Halt und stürzte

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