Blut und Harz
räusperte.
»Das tut mir leid. Ich wollte nicht Salzwasser in die Wunde gießen. Bitte verzeih mir meine Taktlosigkeit. Und nenn mich doch bitte Erik.«
Er lächelte, doch Natalja spürte, dass es nur aufgesetzt war. Irgendetwas störte ihn. Sie wusste zwar nicht, was es war, doch auf irgendeine Weise wirkte er zu kühl und distanziert. Doch bevor Natalja weiter darüber nachdenken konnte, wechselte Erik wieder das Thema. »Wie lange wollt ihr eigentlich hier bleiben? Habt ihr schon Pläne?«
Elias kam ihr zuvor. »Maximal zwei Wochen. Natalja muss dann wieder arbeiten und bei mir beginnt das nächste Semester. Aber ich denke, wir werden nur eine Woche bleiben. Vielleicht in die Thermen gehen.«
Erik nickte zustimmend. »Wenn ich euch die Firma zeigen soll, dann fragt nur. Ach … wenn wir schon dabei sind. Wie läuft eigentlich dein Studium? Du müsstest doch mit dem Bachelor langsam zu Ende kommen? Oder täusche ich mich?«
Resignierend und seufzend lehnte sich Elias in seinen Stuhl zurück und hob die Hand mit zwei ausgestreckten Fingern. In einer anderen Situation hätte es das Victory Zeichen sein können. »Zwei Semester noch, dann bin ich fertig. Voraussichtlich halte ich mein Abschlusszeugnis an meinem nächsten Geburtstag in Händen. Zufrieden? Für dich kann es ja nicht schnell genug gehen.«
Die Luft zwischen den beiden knisterte gefährlich. Die Spannung war nahezu greifbar. Doch Erik überging den Seitenhieb. »Das hört sich doch wunderbar an. Und du? Studierst du auch BWL?«
Natalja schüttelte den Kopf. »Ich arbeite als Floristin in einem kleinen Familienbetrieb. Ich bin dort unbefristet angestellt. Dort habe ich auch Elias kennen gelernt.« Sie lächelte und drückte ihrem Freund zärtlich die Hand.
»Eine Floristin …« Abermals kräuselte sich Eriks Stirn, doch der kritische Gesichtsausdruck verschwand sofort wieder. »… und wie habt ihr euch die weitere Zukunft vorgestellt. Ich meine, wenn Elias nach dem Studium wieder hierher zieht und du einen Job in Stuttgart hast. Das ist ja nicht gerade -«
Die Tischplatte schepperte donnernd neben ihr, so dass das Geschirr laut klirrte. Überrumpelt fuhr sie zusammen.
»Spar dir deinen Atem, Vater!« bellte Elias, der soeben auf den Tisch geschlagen hatte. „Wir haben darüber schon gesprochen, aber es geht nur uns etwas an! Mir reicht es! Immer nur planen und nach deiner Pfeife tanzen. Für heute habe ich die Schnauze voll. Komm Natalja, wir gehen spazieren. Ich brauche Frischluft.«
Ohne weitere Worte stand Elias auf und zerrte sie mit sich. Sie beugte sich seinem Willen, doch diesen Abend hatte sie sich wahrlich anders vorgestellt. Aber was blieb ihr Anderes übrig, als ihrem Freund aus der Küche zu folgen? Auf dem ganzen Weg spürte sie Eriks durchdringenden Blick in ihrem Rücken. Oder weiter unten.
***
Erik trat an das große Fenster seines Arbeitszimmers heran, das ihm einen Blick über den dunklen Garten bot. Grübelnd starrte er hinaus in die Nacht.
Blasses Licht einer Straßenlaterne schimmerte auf immergrünen Blättern, die mit Feuchtigkeit überzogen waren. Dazwischen reckten sich armselige Äste in den Himmel, dürr und ohne Laub. Mehr konnte er nicht erkennen. Das Licht war zu spärlich, da die Laterne auf seinen Wunsch hin von den Stadtwerken in Richtung Garten mit einer Abdeckung abgeschattet worden war. Er konnte nicht richtig schlafen, wenn das Zimmer die ganze Nacht über in künstliches Licht getaucht war und bei geschlossenem Fenster mit heruntergelassenem Rollo ging es sowieso nicht.
Sein Fokus wechselte auf die Scheibe. Dort spiegelte sich seine Wanduhr, verzerrt und schlierig, doch Erik konnte die Zeit erkennen: Es war fast Mitternacht.
Eine Floristin, zuckte es durch seine Gedanken. Kann er sich nicht eine Akademikerin anlachen? Jemanden, den man im Unternehmen gewinnbringend einsetzen könnte?
Erik wandte sich vom Fenster ab und nahm wieder in seinem knarzenden Ledersessel Platz. Das schwache Licht der Schreibtischlampe glänzte matt im Kirschbaumholz. Einzig das gefüllte Weinglas unterbrach die Trostlosigkeit dieses Abends. Plötzlich schlug Erik sich verärgert auf die Oberschenkel.
Mensch Erik! Reiß dich zusammen! Was ist nur los mit dir? Sonst bist du doch auch nicht so geladen. Dein Verhalten heute Abend war katastrophal. So gewinnst du Elias nie als Juniorchef. Ungläubig über sich selbst schüttelte er den Kopf.
Professionalität und Zielstrebigkeit. Das war sein Credo. Nicht Emotionalität und
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