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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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sein. War die Türe einmal versperrt, ließ sie sich mit Gewalt nicht mehr öffnen. Da war sich Natalja sicher. Höchstens mit einer rasiermesserscharfen Axt; und die hatte sie nicht.
    »Das hier wird dein vorläufiges Zuhause sein, Schätzchen«, sagte der Mönch und lächelte fies. »Richte dich schon mal ein und überleg dir, was du mir gleich erzählen willst. Wenn ich zurückkomme, will ich die Wahrheit hören.«
    Mit einem Ruck zog er die schwere Türe am wuchtigen Griff hinter sich zu.
    »NEIIIINNNN!«
    Natalja sprang verzweifelt hinterher, versuchte sich irgendwie dazwischen zu quetschen, doch Johannes war schneller.
    Mit einem donnernden Krachen schlug das Türblatt vor ihrer Nase gegen den Rahmen und die Schließmechanik rastete hörbar ein.
    »Du mieses Arschloch!« brüllte Natalja ihm hinterher, während sie mit dem Fuß gegen das Holz klopfte. Abgesehen von den dumpfen Geräuschen, die die Bretter verursachten und einem schmerzhaften Pochen in ihrem Knöchel, zeigte ihr Wüten keine Reaktion.
    Als Natalja endlich einsah, dass sie gefangen war und er nicht sofort zurückkehren würde, ließ sie von der Pforte ab. Vielleicht gibt es noch einen anderen Fluchtweg, hoffte sie inständig.
    Forschend sah sie sich in dem kleinen Raum um.
    Was sie erblickte, erstickte jedoch jede Hoffnung im Keim.
    Das Zimmer, ein länglicher Schlauch, etwa drei Meter breit und fünf oder sechs Meter lang, bestand eigentlich nur aus groben Sandsteinmauern und einer niedrigen, gewölbten Decke. An der kurzen Stirnseite, gegenüber der Eingangstüre, befand sich ein schmales Fenster in der meterdicken Wand. Das Licht der einzelnen Glühbirne über ihrem Kopf brach sich funkelnd im schlierigen Fensterglas.
    »Scheiße«, entfuhr es Natalja. Das Fenster war viel zu schmal. Ein mageres Kind hätte sich vielleicht hindurchquetschen können, aber ein Erwachsener nicht einmal im Traum. Hinter dem Glas leuchtete die dunkle Nacht.
    Ich brauche eine Waffe, schoss es ihr durch den Kopf. Wenn ich schon nicht still und heimlich entfliehen kann, dann werde ich den Mönch einfach niederschlagen und so meinem grausigen Schicksal entrinnen.
    Als Johannes sie vom Hof hierher geschleift hatte, hatte Natalja sich den Weg so gut es ging eingeprägt. Erst durch das Eingangsportal, weiter durch einen dusteren Flur hinaus in einen luftigen Kreuzgang. Von dort aus waren sie rechts abgebogen und durch eine weitere Türe in einen parallel verlaufenden Flur getreten. Von dort zweigte ihr Zimmer ab.
    Sie würde alleine ohne Probleme den Weg hinaus finden, wenn nicht eines der Tore abgesperrt war.
    Fieberhaft sah sie sich die karge Zimmereinrichtung genauer an.
    In einer Ecke ruhte ein schlicht geschreinertes Bett aus kastanienbraunem Holz. Eine reinlich wirkende Matratze lag ohne Überzüge darin. Daneben stand ein schmaler Tisch direkt unterhalb des Fensters mit einem verlassenen Stuhl davor. Ebenfalls beides aus dem gleichen, glatten Holz.
    Als letztes Möbelstück sah Natalja eine pompöse Truhe mit eisenbeschlagenen Bändern, die man offensichtlich absperren konnte. Nur ein Schlüssel war nirgends zu sehen. Neugierig versuchte sie, die Abdeckung mit den Füßen zu öffnen, doch der massive Deckel bewegte sich keinen Millimeter. Scheinbar abgesperrt, dachte sie entmutigt.
    Niedergeschlagen ließ sie sich auf das Bett sinken. Das einzig Brauchbare wäre der Stuhl gewesen. Er hätte Johannes den Schädel eingeschlagen, wenn sie ihn wie eine Keule schwingen hätte können. Doch mit ihren gefesselten Händen konnte sie überhaupt nichts damit anfangen.
    Warum machten im echten Leben die Verbrecher keine gravierenden Fehler, so wie in den Filmen? Warum ließ man ihr keine Chance zur Flucht? Bei Alarm für Cobra 11 schien alles immer locker flockig von der Hand zu gehen.
    Aber ich bin nicht im Fernsehen, stellte sie nüchtern fest.
    Sie hatte keinen Trumpf mehr im Ärmel. Erik lag verwundet auf dem Campingplatz. Alexander war verschwunden und Elias schlummerte im Krankenhaus in seinem Koma dahin.
    Im Koma!
    Eine Welle von Traurigkeit schüttelte sie. Es war so unfair. Wie konnte Gott eine solche Ungerechtigkeit zulassen? Wie konnte Gott überhaupt eine Welt erschaffen, in der der Tod existierte? Warum konnte ihr das Glück mit Elias nicht für die Ewigkeit gewährt werden? Warum musste ausgerechnet er so schwer verletzt sein?
    Sie blickte an die fleckig verputze Decke.
    »Hat Elias dir etwas getan?« fragte sie bitter. »War er je ein schlechter Mensch? Warum

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