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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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heute einen Anstandswauwau bei mir habe.«
    Dann krachte seine linke Faust gegen Rupperts Schläfe.
    Erik keuchte auf, als sein alter Freund unvermittelt die Augen verdrehte und leblos auf die Liege glitt.
    »NEIN!« schrie er und hechtete durchs Zimmer, doch Alexander hob abwehrend die Hand.
    »Er wird nur ein wenig Schäfchen zählen und danach meinen, in einem ACDC Konzert in vorderster Reihe gestanden zu sein. Vielleicht noch eine Beule, mehr aber nicht.«
    Erik blieb neben dem ohnmächtigen Arzt stehen und blickte schwer atmend auf ihn herab. Der Brustkorb Hawelkas hob und senkte sich leicht.
    »Was sollte das?«
    Ohne eine Antwort zu geben, streifte Alexander seine Ausrüstung über und steckte die Pistole wieder ein. Dann nahm er einen Plastikbecher vom Waschbecken, das unterhalb des Spiegels hing.
    »Er war doch keine Gefahr mehr für uns«, wiederholte Erik seinen Vorwurf.
    Während Alexander den Becher gluckernd mit Wasser füllte, schüttelte er genervt den Kopf. »Er hätte die Bullen gerufen, keine zwei Minuten nach dem wir gegangen wären. Ich kenne diese Art von Menschen. Er hätte sogar geschossen!«
    Der Wasserhahn wurde quietschend abgedreht.
    »Warum bist du dann überhaupt das Risiko eingegangen?« fragte Erik verwirrt.
    Alexander drehte sich zu ihm um, drückte sich zwei Tabletten, die Ruppert ihm vorher gegeben hatte, aus der Packung in die hohle Hand und warf sie sich in den Mund. Mit lauten Schluckgeräuschen leerte er den Becher in einem Zug.
    Dann sagte er: »Das Risiko war akzeptabel. Ich habe gesehen, dass er meine Pistole nicht entsichert hat. Er hatte mit Sicherheit noch nie eine Waffe in der Hand. Es besteht zwar trotzdem immer ein Restrisiko, dass sie losgeht, aber das ist überaus gering. Damit konnte ich leben.«
    Alexander schritt ins Zimmer und hob das Handy vom Boden auf. Es verschwand in seiner Hosentasche. »Lass uns gehen. Ich will die Sache endlich hinter uns bringen.«
    »Warte!« rief Erik.
    Er konnte seinen Freund nicht im Pyjama in der Praxis liegen lassen. Es war zwar nicht kalt, aber auch nicht gerade wohlige Schlafanzugtemperatur. Ruppert würde sich eine Erkältung einfangen, was er sich wahrlich nicht verdient hatte.
    Er schnappte sich die warme Jacke, die der Arzt über die Garderobe geworfen hatte und legte sie sorgfältig über seinen Freund. Mit einem lauten Seufzer strich er ihm die wuscheligen Haare aus der noch feuchten Stirn, dann wand er sich Alexander zu.
    »Jetzt können wir in den Krieg ziehen.«

Kapitel 23
    Der Passat stöhnte gequält, doch Reimund peitschte ihn unerbittlich über den Asphalt. Einen kleinen Tick schneller hätte er noch fahren können, doch er hatte Bedenken, ob die Karre dann nicht die Grätsche machen würde. Die Tachonadel vibrierte bereits verdächtig und einen langwierigen Fußmarsch konnte er sich jetzt nicht leisten.
    Während das Schwarz des Waldes an ihm vorbeijagte, kehrten seine Gedanken zu seinem blutenden Ordensbruder und dessen gebrochenen Nase zurück. Reimund schüttelte zum wiederholten Mal den Kopf.
    Wie dumm konnte Johannes nur sein, fragte er sich verärgert. Da tauchte ein einziges Mal ein Mensch im Kloster auf, der keinen Schwanz und Eier zwischen den Beinen besaß und schon vernebelte sich Johannes messerscharfer Verstand. Alle seine Vorzüge, warum er stellvertretender Abt geworden war, waren wie weggeblasen; vertrieben von seidigen Schenkeln, schmalen Brüsten und einem knackigen Hintern.
    Wie sehr Reimund doch den Trieb hasste.
    Er selbst war damals zum Opfer geworden. Er hatte Laura niemals erwürgen wollen und doch war es geschehen, geblendet von animalischer Lust und Dummheit. Es war ihm nach all den Jahren immer noch unbegreiflich, wie das geschehen konnte, wie er damals so blind für die Realität hatte werden können. Und nun auch Bruder Johannes!
    Die Vernunft schien einfach doch keine Macht über den Mensch zu haben, stellte er nüchtern fest. Sein ganzes Leben lang war er durch die Hölle gegangen, nur wegen wenigen Sekunden einer mentalen Abstinenz, wo sich seine verdammte Vernunft in die Hängematte gelegt hatte.
    Waren davon eigentlich nur Männer betroffen?
    Wahrscheinlich nicht. Wie oft hatte er in Zeitungen gelesen, dass eine Mutter ihr Kleinkind erwürgt, erstochen oder verhungern hat lassen. War das nicht das Gleiche? Eine Handlung in einem Moment geistiger Umnachtung, wo jegliche anerzogenen moralischen Schranken einer archaischen Boshaftigkeit zum Opfer fielen und das Tier, die dunkle Seite

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