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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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»Mein Gott, der Mann war bis an die Zähne bewaffnet! Sie wollten zu irgendeinem Kloster!«
    Überrascht runzelte Reimund die Stirn. Schwester? Hatte er richtig gehört?
    Neugierig trat er näher an den Arzt heran, bis der Saum seiner Kapuze die ersten Blätter berührte. Der Geruch nach Schweiß und Urin war stechend. Der Weichling widerte ihn an.
    »Sagten Sie gerade Schwester des Russen? Wie soll sie heißen?«
    »Natalja!« Der Arzt schluckte schwer. Der Ast um seinen Hals drückte ihm sichtlich den Atem ab. Sein Brustkorb hob und senkte sich hastig.
    Verblüfft trat Reimund zurück. Jetzt wusste er, warum die junge Frau so zu zittern begonnen hatte, als er vom Tod des Raben gesprochen hatte. Sie war seine Schwester! Jetzt wurde ihm auch klar, warum Kowalski die Seiten gewechselt hatte.
    Ausdruckslos musterte er einige Sekunden lang den Arzt, der blass wie ein Leichentuch in den Strauch gewickelt dastand und dem der Schweiß herunterperlte.
    »Immerhin haben Sie kooperiert«, sagte Reimund ruhig. »Dafür dürfen Sie nun eine Wahl treffen.«
    Die Augen des Arztes begannen hoffnungsvoll zu leuchten.
    »Sie dürfen über Ihr Ende entscheiden«, fuhr Reimund fort. »Wollen Sie ersticken oder soll ich Ihnen das Genick brechen?«
    Reimund hatte nicht geglaubt, dass man Augen noch weiter aufreißen konnte, doch der Arzt tat es. Gleichzeitig stöhnte er markdurchdringend. Der feuchte Fleck um seine Genitalien wurde größer. »Sie sind wahnsinnig!« quälte sich über seine Lippen, während er sich gegen die Äste aufzubäumen versuchte.
    Reimund schüttelte seufzend den Kopf. Kraft seiner Gedanken gab er dem Benjamin seine Instruktion. Er hatte keine Zeit für lange Diskussionen. Wenn der Arzt keine Entscheidung treffen wollte, dann traf er sie.
    Er sah noch, wie sich der Strang um Ruppert Hawelkas Hals enger zog, wie in blitzartiger Geschwindigkeit neue, saftige Knospen aus den Ästen sprossen und sich in die bebenden Nasenlöcher des Arztes schoben. Ein Blätterbüschel bahnte sich zielstrebig seinen Weg zu den Lippen des Arztes, der in diesem Moment den Mund aufriss, um einzuatmen. Doch stattdessen füllten ledrige Blätter seinen Rachen.
    Ohne zurückzublicken machte sich Reimund auf den Rückweg. Das menschliche Stöhnen und das Knistern der Blätter blieben hinter ihm zurück.
    Ein Mitwisser weniger, sagte sich Reimund, während er die Arztpraxis verließ. Aber die Mitwisser waren momentan das kleinere Übel. Viel mehr bereitete ihm der Umstand Magenschmerzen, dass er sein Handy in all der Hast im Kloster vergessen hatte. Jetzt konnte er niemanden warnen. Niemand seiner Brüder, außer Johannes, ahnte, dass ein wütender Berufskiller, gespickt mit Waffen, auf dem Weg zur Abtei war um seine eigene, entführte Schwester zu befreien und um jeden umzunieten, der sich ihm in den Weg stellte. Und Johannes war mit seiner Nase und Natalja beschäftigt.
    Fuck!
    Auf dem Parkplatz begann Reimund zu rennen. Er hatte keine Zeit mehr zu verlieren.
    ***
    Erik hatte das Gefühl, dass es spürbar kälter geworden war. Seine Hände waren klamm. Er formte eine hohle Hand und hauchte seinen warmen Atem hinein, dann steckte er die Finger unter die Achseln. Auch der Nebel hatte sich zurückgezogen, stellte er fest. Statt der trüben Suppe hingen nur noch dünne Nebelschleier in der Luft.
    Zügig folgte Erik weiter dem Raben, der ihn durch ein verworrenes Labyrinth aus hohen Hecken und Büschen führte. Einzig der grob gepflasterte Weg unter seinen Füßen gab ihm die Sicherheit, sich nicht vollends zu verlaufen.
    An einem hölzernen Gartentor, Erik erkannte klassischen Jägerzaun, blieb Alexander stehen. Er griff über die Spitzen hinweg. Ein metallisches Schaben war zu hören, dann schwang das Tor nach Innen auf.
    Kommentarlos betraten die beiden Männer den kleinen Schrebergarten. Alexander war direkt von Rupperts Praxis aus hierher gefahren. Er wollte sich noch »ausstatten«, so hatte Alexander es ohne weitere Erklärungen genannt und Erik hatte nicht weiter nachgefragt. Seine Brust hatte immer wieder schmerzhaft gestochen und er wollte seine Kräfte schonen.
    Ein schmaler Pfad, abgegrenzt mit Rabatten, führte auf direktem Weg an brach liegenden Blumenbeeten vorbei zu einer kleinen Holzhütte mit Wellblechdach, die am hinteren Ende des Grundstücks aufgestellt worden war. Trotz der schwachen Beleuchtung erkannte Erik, dass es wirklich nur eine winzige Behausung war. Ein einziges Fenster lag dunkel neben der Eingangstüre, davor

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