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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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helle Fleisch spannte und mit schwindelerregender Geschwindigkeit anschwoll. Rinde brach auf und rieselte zu Boden. Ihr Peiniger röchelte erstickt und hob flehentlich die Hand. Seine wässrigen Augen traten weit aus den Höhlen.
    Doch der Alte schüttelte nur andeutungsweise den Kopf.
    Als Bruder Johannes wenige Sekunden später dumpf auf dem Steinboden aufschlug, griff die lockende Ohnmacht mit ihren klauenhaften Fingern nach Natalja.
    Sie sah noch den älteren Mönch über ihr, dann verschwand die Welt in Dunkelheit.
    ***
    Die letzten Lichter der Stadt verschwanden im Rückspiegel. Zurück blieb nur die Nacht. Reimund schoss den direkten Weg wieder zurück und sah vor sich den Kreisverkehr auftauchen. Der Motor des betagten Passats schepperte blechern.
    Wie würde er vorgehen, wenn er ein Berufskiller wäre, fragte er sich. Er versuchte sich selbst eine objektive Antwort zu geben. Nach einigem Grübeln kam er zu einem Entschluss: Er würde sich in der Nähe des Klosters auf die Lauer legen und beobachten. Dann würde er langsam immer näher heranrücken, einen Plan aushecken und dann, in einem geeigneten Moment, zuschlagen.
    Reimund kräuselte seine Lippe. Scheiße! Das war nur eine Option! Vielleicht würde er auch mit brüllenden, Kugel spuckenden Waffen einfach einlaufen und ohne Rücksicht auf Verluste alles niederballern, was eine Kutte trug - die russische Methode.
    Das Scheppern verstummte abrupt. Das Fehlen des gewohnten Geräusches ließ Reimund aus seinen Überlegungen hochfahren.
    »Das meinst du jetzt nicht ernst?« flüsterte er.
    Doch der Wagen ließ sich zu keiner Antwort herab.
    Das gefiel Reimund ganz und gar nicht. Solange etwas dröhnte und knarzte, wusste er wenigstens, dass das Teil noch am Auto dran war. Die Stille hingegen war gar nicht gut. Mit Sicherheit hatte er irgendetwas verloren.
    Im selben Moment vernahm Reimund ein lautes Plopp , danach stürzte die Tachonadel mit schwindelerregendem Tempo Richtung Null. Gleichzeitig wurde der Wagen immer langsamer.
    Ungläubig starrte Reimund auf die zurückfallende Nadel. »Nicht heute«, flehte er. »Bitte!«
    Er drückte das Gaspedal bis zum Anschlag durch, doch nichts geschah. Der Wagen wurde immer langsamer, rollte noch an fünf Leitpfosten vorbei und kam dann mit einem endgültigen Stöhnen zum Stehen.
    Reimund saß für eine gute Minute wie erstarrt hinterm Lenkrad und musterte die Tachoscheibe in der Hoffnung, dass sie wieder etwas anderes als Null anzeigen würde. Er stand immer noch mit vollem Gewicht auf dem Gaspedal. Doch sein Wunsch wurde nicht erhört.
    Wütend schlug er gegen das Lenkrad. »Du willst also jetzt wirklich in Rente gehen? Ich glaub es nicht.«
    Mit fliegenden Fingern zog er den Schlüssel ab um ihn nur gleich wieder ins Schloss zu rammen. Als er die Zündung bis zum Anschlag drehte, biss er sich auf die Lippe. Trotzdem passierte nichts.
    Reimund begann zu lachen. Schrill und hysterisch.
    Der Lachanfall schüttelte ihn von Kopf bis Fuß, durchzuckte seinen Körper und bereitete ihm sogar Schmerzen in den angespannten Wangen.
    »Das ist also dein Plan, liebes Schicksal«, hauchte er atemlos vom Lachen. »Dagegen bin ich wohl machtlos.«
    Schnaubend zog er den Schlüssel ab und stieg aus.
    Ein eisiger Wind peitschte ihm durchs dünne Haar und blähte seine Kapuze auf. Eine einsame Schneeflocke tanzte vor seinen Augen an ihm vorbei, nur um ihr Leben auf dem Asphalt zu beenden.
    Schweigend beobachtete Reimund den nassen Fleck, den der weiße Stern auf der Straße hinterlassen hatte. Ein zweiter gesellte sich dazu, gefolgt von einem dritten.
    Reimund sah auf. Die Luft um ihn herum begann sich mit Eiskristallen zu füllen, die wie glitzernde Diamanten zu Boden trudelten.
    »Bruder Toss! Sie haben ihre Schöpfung also begonnen«, flüsterte er heiser. Sein Atem stieg vor ihm als grauer Dunst in den Himmel.
    So schnell, fügte er in Gedanken hinzu. Er wusste nicht, wie diese gemeinsame Schöpfung enden mochte. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte er Angst davor.
    Zum ersten Mal in seinem Leben spürte Reimund die Kälte des Grabes an seinen Knochen lecken.

Kapitel 24
    Mit einem erstickten Japsen fuhr Elias hoch. Hektisch pumpte er etliche Male klaren Sauerstoff in seine Lungen, bevor sich sein Körper wieder beruhigt hatte.
    Als er nach fünf weiteren tiefen Atemzügen in seinen Bauch hinein die Umgebung um ihn herum wahrnahm, überraschte ihn nicht, was er sah. Er hatte es beinahe erwartet. Die Bäume waren immer noch da,

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