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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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und Weiß. Alles konnte er so deutlich sehen, dass ihn die Schärfe verblüffte. Die ganze Welt konnte er sehen und alles, was geschah.
    Er sah einen riesigen Forst, der sich zu allen Seiten hin ausbreitete. Von oben wirkten die Baumkronen wie eingedellte, gemusterte Kreise, einer neben dem anderen und alle berührten sich gegenseitig. Ein großes Ganzes. Schnee fiel und schmolz. Die Blätter sprossen leuchtend grün, dann saftiger, dunkler, gelb und braun und am Ende verschwanden sie, um wieder von vorne zu beginnen. Er sah eine alte Eiche, größer und mächtiger als die anderen. Er sah sie wie ein Adler. Er sah, wie die Eiche über ihrem Spiegelbild in einem kleinen Teich brütete und den Blick vom friedlichen Wasser hob und ihn wortlos musterte.
    Elias sah die endlose Weite kurz darauf schrumpfen, sah Menschen in Lumpen herumeilen, stumpfe Äxte schwingen und Bäume fällen. Wolken peitschten dahin, vergingen und bildeten sich neu. Er sah Mauern emporwachsen, nur helle Striche im Dreck, die sich um einen kleinen Hain legten, im Herzen die Eiche und ihr stiller Teich. Geduckte Gebäude schossen aus der Erde mit rötlich schimmernden Dächern.
    Männer liefen angemessenen Schrittes dahin, trugen wollene Kapuzen und erdfarbene Mäntel. Grün mischte sich dazu. Er sah einen Mönch in einem Kreuzgang sitzen, ein altes Pergament in den zitternden Händen, einen weiteren in einem Garten, die dicken Äpfel ernten. Ein dritter hantierte stumm an einem Weinstock entlang der Mauer, zupfte Reben.
    Elias blickte gen Osten, Norden, Süden und Westen. Hinter den Horizont. Überall sah er das gleiche Bild. Die Wälder verschwanden, Klöster wurden um Haine gebaut und Mönche werkelten vor sich hin.
    Dann gewahrte er plötzlich das Grau. Straßen pflügten sich wie bohrende Würmer durch die Wälder. Leuchtende Städte sprossen wie giftige Pilze aus der Erde, laut und pulsierend. Sie verteilten ihre Sporen, rasant und beeindruckend. Immer weiter wucherten die Orte, Gemeinden, Städte, Metropolen dahin. Das Grün wurde dabei immer kleiner. Das Grau gab nichts zurück. Es verschlang nur.
    Egal wohin Elias blickte, das Bild änderte sich nicht, doch dann sah er wieder die Mönche. Er sah eine Gruppe von ihnen im Schneegestöber stehen, die schneeverkrusteten Arme in die Höhe gereckt. Er hörte ihr Murmeln, das Knochen klirren ließ, und er fühlte den Hass, der aus den Worten zu hören war. Um sie herum wirbelten kalte Flocken, doch noch weiter entfernt waren sie von Schatten umringt. Einer war dunkel wie geronnenes Blut und überragte alle anderen wie ein Berg, ein struppiges Etwas, das nach Rache dürstete.
    Dann sah Elias ein neues Bild.
    Weiß und Weiß und Weiß. Eine erfrorene Einöde. Gen Norden. Gen Süden. Gen Osten. Gen Westen. Dahinter Wasser, dunkel und düster. Nacht senkte sich herab über die Landschaft. Die Lichter hatten aufgehört zu strahlen. Dunkle Gerippe blieben, die nur der Mond mit fahlem Licht, so bleich wie Knochen, überschwemmte. Selten sah man ein einsames Feuer tanzen und doch, wenn man sich konzentrierte, sah man sie zaghaft brennen.
    In dieser Schummrigkeit sah er einen weiteren Mönch. Er trug eine dunkelgrüne Tunika, einen braunen Gürtel, einen dunkelbraunen Überwurf und eine dunkelgrüne Kukulle. Sein Gesicht blickte darunter hervor, schattig und entschlossen.
    Elias kannte es und sein Magen drehte sich gleich zwei Mal um.
    Er starrte in seine eigenen Augen, die die Farbe von saftiger Rinde hatten. Die rundlichen Wangen waren verschwunden. Er war kantiger, härter, erwachsener. Doch er war es. Die leichte Naturlocke seines schwarzen Haares lugte zaghaft unter der Kutte hervor, der Schatten des Bartes hing über seinen eigenen Wangen.
    Akzeptiere die Wahrheit!
    Mit einem schnappenden Keuchen schrak Elias hoch. Das Zimmer, in dem er sich befand, drehte sich und ein Schlauch, der ihm in die Nase gesteckt worden war, und eine dicke Halskrause zerrten ihn wieder zurück in die weißen Laken.
    Schwer atmend sah er sich eine Minute lang um, presste schmerzverzerrt die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, da die grelle Deckenbeleuchtung ihm in seine Pupillen stach.
    Als sich seine Augen an die blendende Helligkeit gewöhnt hatten, sah er im Augenwinkel den saftgrünen Strauch neben seinem Bett auf einem Hocker stehen: Eine pyramidenförmige Zimmerzypresse. Die feinen Verästelungen erstrahlten in leuchtendem Hellgrün, eine farbige Bastion inmitten des tristen Krankenhauszimmers.
    Ein Lächeln huschte

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