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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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zermalmen.
    Etwas kleines Schwarzes schlug klackernd im Türrahmen auf und sprang zwischen den Flammen herein. Reimund zuckte zusammen und schleuderte prophylaktisch eine Woge aus Eis und Laub von sich.
    Er hatte die dunkle Silhouette des Killers erwartet, nicht einen runden Gegenstand, doch als er seinen Irrtum erkannte, war das trudelnde Verhängnis bereits auf seinem Weg.
    Als die zweite Granate hallend zerbarst, wurden die Flammen im klirrenden Eis seiner Schöpfung verschluckt. Mit tödlicher Stille riss der Eisball den linken Holzrest der Tür mit sich, hinterließ eine schabende Spur in der Seitenwand wie wenn tausend Meißelschläge gleichzeitig niedergegangen wären, zerrte die massiven Eisenscharniere aus der Wand und schleuderte die Trümmer in den Innenhof.
    Reimund sprang unter Schmerzen auf und rannte humpelnd tiefer hinein in den Gang, direkt auf die offen stehende Tür zum Kreuzgang zu. Höllenqualen überschwemmten seinen unteren Rücken mit markerschütternden Nadelstichen. Er biss die Zähne zusammen und blickte hastig über die Schulter, doch die vom Restfeuer flimmernde Öffnung blieb leer.
    Als er wieder nach vorne sah, gähnte ihm das innenliegende Portal direkt entgegen.
    Reimund taumelte hinaus in den überdachten Kreuzgang.
    ***
    Natalja schlug stöhnend die Augen auf. Helligkeit begrüßte sie unangenehm und ihr Schädel brummte immer noch von dem Hieb. Sie verzog gequält das Gesicht, doch sie musste feststellen, dass die üblen Schmerzen, die bis in die Mitte ihrer Augen gestochen hatten, sich offenbar verflüchtigten.
    Sie kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, um weitere Qualen zu verhindern. Nach wenigen Sekunden konnte sie wieder klar denken und plötzlich erkannte sie zum ersten Mal auch die Gestalt.
    Vor ihr stand der alte Mönch. Er lehnte an der Wand und hatte die Arme locker vor seinem Bauch verschränkt; so wie viele Männer es in der Kirche taten. Er starrte sie an.
    Der Gedanke an ihre entblößte Scham schoss ihr wie eine Rakete in den Kopf und sie stierte hastig an sich herab. Doch zu ihrer Überraschung war ihre nackte Haut unter einer harten, kratzigen Wolldecke verborgen. Sie spürte die drahtigen Fasern über ihre empfindliche Nacktheit streichen, als sie sich auf die Ellbogen hochstemmte.
    »Keine Sorge, verehrte Tochter. Ich habe Euch nicht berührt. Ich habe mir nur erlaubt, die Decke über Euch auszubreiten.«
    Ein einnehmendes Lächeln umspielte seine Gesichtszüge. »Ich hoffe auch, dass ich noch rechtzeitig in Erscheinung trat.«
    Ja, das bist du wirklich. Keine Sekunde zu spät! Natalja nickte.
    »Zum Glück«, sagte sie leise. Sie zögerte, dann fügte sie hinzu: »Danke.«
    Ihr Blick sucht die Leiche des Mönches, doch sie war verschwunden. Nur noch abgeschuppte Rinde und lose Blätter, die auf dem Steinfußboden lagen, erinnerten an seinen bizarren Tod.
    »Was habt Ihr mit ihm gemacht? Die Äste!«
    Die Miene des Greises verlor seine Weichheit. Mit einem Mal war er ein strenger Mann, der Autorität versprühte. Er erinnerte sie an einen ihrer alten Deutschlehrer, der den Stock noch benutzt hätte, wäre es nicht verboten worden.
    »Er hat seine gerechte Strafe erhalten. Hand an Euch zu legen ist tabu. Außer Ihr wollt es natürlich.« Die Worte kamen ohne Wärme. »Und nun zieht Euch wieder an. Wir haben zusammen zu tun!« Er trat von der Wand bis zur geschlossenen Tür und drehte ihr den Rücken zu.
    Die Aufforderung war eindeutig.
    Natalja widersprach nicht. Egal, welche übernatürlichen Dinge hier geschahen, ihre Flucht hatte Vorrang. Sie musste jede Chance nutzen. Vielleicht konnte sie den Alten überlisten. Aber zuallererst musste sie sich anziehen. Hastig sprang sie auf und warf die Decke auf das Bett. Ihr Blick fixierte den Alten, ob er nicht doch heimlich linsen würde, aber er stand wie eine Statue am Ausgang. Eilig steckte sie den zerrissenen Rest des Tangas, der ihr noch um die Beine hing, in ihre Hosentasche. Die Jeans wanderte wieder an ihren richtigen Platz.
    Das Gefühl, nicht mehr ein Objekt der Begierde zu sein, ließ sie hörbar seufzen.
    »Zieh dir die Schuhe und Strümpfe an«, sagte der Mönch und drehte sich wieder zu ihr herum.
    Natalja blinzelte und blickte sich stirnrunzelnd um.
    Welche Schuhe? Sie hatte keine getragen. Und woher wusste er, dass sie fertig angezogen war?
    Zu ihrer Überraschung stand neben dem Bett ein Paar schwarze Lederschuhe, eindeutig von einem Mann, aber ungefähr in ihrer Größe. Darin steckte ein

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