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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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Wort.
    Dann war der schneebepuderte Busch heran. Mit einem Ruck veränderte Reimund seine Bahn und schlug einen Haken. Ein Projektil kreischte an ihm vorbei. Mit einem Keuchen landete er schmerzhaft hinter den ledrigen Blättern des Strauches.
    Gleichzeitig entfesselte er einen Teil seiner Kraft.
    Noch bevor der nächste Schuss den Busch durschlagen konnte, schwollen die Äste an, wurden dick und undurchdringlich, die Rinde so hart wie Eisen.
    Reimunds Reaktion kam keinen Herzschlag zu spät. Er spürte, wie die Äste von einschlagenden Patronen geschüttelt wurden und erbebten. Schnee rieselte zu Boden, doch der Strauch wucherte einfach weiter, brachte neue Triebe hervor und überdeckte aufgerissene Wunden.
    Reimund schluckte schwer. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Das Wummern hinter ihm hielt an.
    Er musste ins Kloster hinein! Hinter die schützenden Mauern! Hier auf freier Fläche konnte er wenig gegen Schusswaffen ausrichten, außer er würde all seine Kräfte entfesseln. Aber mit den Kräften des Hains musste gehaushaltet werden. In Hawelkas Praxis hingegen hätte er einen kleinen Raum zum Kampf gehabt, aber die Weite des Innenhofes gab dem Raben den Sieg fast in die Hand.
    Grimmig blickte er zum Eingangstor des Klostergebäudes. Es war circa dreißig Meter entfernt und geschlossen. Ein kurzer Sprint, keine zehn Sekunden. Doch das Rennen gegen eine Patrone würde er mit Sicherheit verlieren. Und das Öffnen würde ihm nochmals Zeit kosten, Zeit, die er nicht hatte. Aber etwas anders blieb ihm nicht übrig. Er konnte nur warten, bis der Rabe das Magazin wechseln musste und es dann riskieren.
    Als hätte jemand seine Gedanken erraten, erbebte der Strauch von einem letzten Einschlag. Blätter rasselten zu Boden, dann blieb es still.
    Reimund wartete nicht länger. Er reagierte sofort. Mit wehenden Roben brach er aus seiner Deckung hervor, zog seine Energie zurück und rannte.
    »REIMUND!« hörte er Erik erneut kreischen, gefolgt von einem unverständlichen Fluch.
    Das gedämpfte Schnalzen einer Pistole zerriss die Nacht. Reimund sah die Patrone nicht an seinem Kopf vorbeizischen, aber dafür vor ihm in die Klostermauer einschlagen. Gesteinsstücke flirrten durch die Luft und eine Staubwolke stieg vom Einschlagskrater auf.
    Scheiße! Er schlug einen unerwarteten Haken nach links und wieder zurück wie ein gehetzter Hase auf der Flucht.
    Im selben Augenblick flog die geschlossene Klostertür auf. Goldenes Licht sickerte warm und herzlich auf den Innenhof.
    Gott sei Dank, aber macht das Licht aus, wollte er schreien, doch ihm fehlte der Atem. Mit seinen dunklen Roben würde er wie eine riesige Zielscheibe vor dem hellen Hintergrund zu sehen sein. Ein Berufskiller wie Alexander Kowalski würde spätestens jetzt treffen!
    Ein zweiter Schuss peitschte heran. Dieses Mal spürte Reimund einen Windhauch auf der Wange, doch auch dieses Projektil schlug in die Klostermauer ein, etwas näher an der Pforte als das erste.
Zwei Mönche stürmten ihm mit flatternden Mänteln aus der Türe entgegen. Mit einem einzigen Satz sprangen sie die drei Stufen, die zum Portal nach oben führten, herab und versuchten ihren Abt zu schützen.
    Reimund erkannte beide und stöhnte innerlich auf.
    Der erste war gelernter Elektroniker und hatte im Anschluss seinen Meister absolviert. Nach sechs Jahren Selbstständigkeit hatte er den Ruf des Klosters erhört und war ihnen beigetreten. Er konnte nicht mit der Kraft des Hains umgehen, aber das musste er auch nicht. Nicht jeder seiner Brüder war dazu in der Lage oder beherrschte sie auch nur ansatzweise, aber ein Kloster benötigte auch Mitglieder mit anderen Talenten. Der Mönch hatte die gesamte, marode Elektrik erneuert und war handwerklich ein Allrounder. Unentbehrlich für eine fast autarke Gemeinschaft.
    Der zweite im Schlepptau des ehemaligen Elektrikers war gelernter Realschulpädagoge. Magister Artium. Mathe und Deutsch. Auch er war nicht mit der Kraft gesegnet. In beiden schlug zwar ein grünes Herz, aber keiner von ihnen würde es mit Alexanders Waffen aufnehmen können.
    Aber wer außer ihm und Johannes war im Kloster schon dazu in der Lage? Die Männer, die zusammen mit Bruder Toss gegangen waren, hätten es schaffen können, aber sie waren nicht mehr hier. Und welche Kräfte noch im gebrechlichen Körper des alten Abtes steckten, wollte Reimund gar nicht wissen.
    Der erste seiner Brüder passierte ihn in diesem Moment, um ihm Deckung zu geben. Das war aber auch das einzige, was er

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