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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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tun konnte.
    »Zurück!« bellte Reimund keuchend. Seine Lunge brannte. Doch die Worte kamen zu spät.
Er sah aus dem Augenwinkel erneut kleine Sonnen aufflammen. Der Körper des Mönchs wurde von unsichtbaren Fäusten getroffen als die Geschosse sein Fleisch trafen. Er kam ins Taumeln und brach leblos zusammen. Reimund hingegen warf sich zur anderen Seite, die Treppenstufen nach oben. Im Flug sah er nur noch, wie auch sein zweiter Bruder durchsiebt wurde. Ein Schuss schien den Mönch am Hals zu streifen, denn plötzlich war die Luft erfüllt mit warmem Blut. Es sprühte wie eine Gischtwolke über Reimund hinweg, der über die Steinplatte stürzte, hart aufschlug und in die Deckung des steinernen Tores schlitterte.
    Weitere Schüsse schlugen über ihm ein, rissen Holzsplitter aus dem Eichentor und bestäubten ihn mit Sandstein.
    Schwer atmend und halb benommen blieb Reimund einige Sekunden liegen. Hier war er in einem toten Winkel; vorerst in Sicherheit. Er müsste nur noch das Tor schließen und spätestens dann hatte der Rabe ein Problem. Aber gerade eben hatte er zwei gute Brüder verloren. Ein unersetzbarer Verlust in heutigen Tagen.
    Schäumende Wut brodelte siedend in ihm hoch, während er sich aufrappelte und sich das Blut aus dem Gesicht wischte. Er versuchte sich selbst zu zügeln, doch mit dem Blut ging auch die Beherrschtheit.
    »Vergessen wir das Kräftesparen!« kreischte er.
    Reimund merkte hilflos, wie sein Temperament impulsiv überschlug in einen Hassanfall. Gegen jede Vernunft rief er seine ganzen Kräfte hervor, bündelte sie und atmete drei Mal tief durch. Ein winziger Rest Besonnenheit wollte sich dagegen stemmen, doch die Luft um ihn herum fing bereits an zu knistern; wogend vor Energie des Hains.
    »STIRB RABE!«
    Mit einem animalischen Schrei auf den Lippen trat Reimund aus der Deckung hervor und entfesselte seine Macht in die Richtung, aus der die letzten Schüsse gekommen waren.
    ***
    Alexander rannte stapfend quer über den Innenhof zur schützenden Hausecke des Klostergebäudes. Die kalte Luft kratzte wie Sandpapier in seinen Lungen. Erik zog er herrisch hinter sich her.
    Erstmals war Sicherheit gefragt. Alexander hatte keine Ahnung, was ihn hier alles erwarten konnte und wie viele Mönche überhaupt hier lebten, aber nach seinem Erlebnis in der Waldmulde mit den verrückten Wurzeln und einem wuchernden Schutzschild aus Ästen, rechnete er mit allem. Naturgesetze waren offensichtlich außer Kraft gehebelt, wobei die beiden toten Mönche eine andere Sprache sprachen. Sie waren regulär gestorben und hatten ihm nichts entgegengeschleudert. Wie menschliche Schutzschilde waren sie dumm in den Tod gerannt. Er hätte den Kopf geschüttelt, wäre Zeit dafür gewesen.
    Das Hauseck war nicht mehr weit entfernt, als ein markerschütternder Schrei die Nacht zerriss. Alexander sah, wie Reimund aus dem offen stehenden Tor trat und auf dem kurzen Treppenabsatz stehen blieb.
    Alexanders Herz setzte für einen Moment aus und er stockte im Schritt, als er den Mönch bemerkte. Flackerndes Licht beschien seinen Rücken und seine dünnen, wirr abstehenden Haare und legte sein Gesicht in dämonischen Schatten. Die Arme hatte er klauenartig vor sich gestreckt. Die Luft, die um seine Hände wirbelte, schien von Eis, Schnee und Laub erfüllt zu sein. Es knackte, knirschte und krachte darin. Reimund wirkte wie ein zorniger Wald-und Wettergott, der sich über den beiden toten Mönchen erhob, um ihren Tod zu rächen.
    Noch vor seinem nächsten Atemzug schleuderte Reimund das tosende Etwas in seine Richtung.
    Wie ein wabernder Feuerball, nur ohne Flammen, raste das Ding auf ihn und Erik zu.
    »Schneller!« brüllte Alexander und gab Erik, der ihn bereits überholt hatte, einen derben Stoß in den Rücken, der diesen hinter die Klostermauer stürzen ließ. Dann feuerte er zwei Kugeln in Reimunds Richtung ab, nur um sofort zum Sprung anzusetzen.
    Während der Rabe durch die Luft flog, schien alles wie in Zeitlupe zu geschehen. Erik brüllte seitlich von ihm vor Schmerzen, die beiden Kugeln rauschten auf das kochende Gemisch aus Eis und Blattwerk zu, wurden sichtlich und wider die Natur langsamer und verschwanden einfach mit einem hellen Klirren darin. Ohne irgendeine weitere Reaktion zu zeigen, war der eisige Ball fast heran und verpasste Alexanders Füße nur um Haaresbreite, doch er spürte die urweltliche Kälte einer Eiszeit davon ausgehen. Wie ein schwelender Brand bitzelte die Kälte seine Füße entlang, auch

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