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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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Ich war heute zwei Mal direkt vor Ort. Vormittags hat mir niemand geöffnet und am frühen Nachmittag habe ich auch nur durch Zufall einen Mönch getroffen, der sich mir als Bruder Raphael vorstellte. Etwas dick aufgetragen, wenn Sie mich fragen, aber das tut nichts zur Sache. Bruder Raphael erklärte mir in einem kurzen Gespräch, dass sie unsere Anfragen erhalten hätten, aber für das Kloster und die Bruderschaft käme ein Verkauf nicht in Frage. Das gesamte Grundstück sei unverkäuflich und es gebe auch sonst keine Möglichkeit, die Angelegenheit zu regeln. Das waren seine letzten Worte. Er war freundlich und überaus geschäftlich, aber erreichen konnte ich nichts. Ich habe alles versucht. Es tut mir leid, aber ich bin hier mit meinem Latein am Ende.«
    Erik seufzte tief. Mit der Verbohrtheit von weltfremden Mönchen hatte er nicht gerechnet. Aber das Leben wäre ja langweilig, wenn es immer wie am Schnürchen laufen würde. Das Entscheidende war nicht, wie oft man auf die Nase fiel, sondern wie oft man wieder aufstand. Und Erik war jedes Mal wieder aufgestanden, wie ein unermüdlicher Roboter.
    »Nun, dann werde ich mich persönlich um das Kloster kümmern und bei Bruder Raphael vorsprechen. Es wäre ja gelacht, wenn wir das Kind nicht schaukeln.«
    Eschle nickte nur, doch Erik sah, wie ihm die Niederlage zu schaffen machte. Damit musste sein Anwalt nun leben.
    »Gut Herr Eschle, dann schauen Sie, dass Sie noch rechtzeitig zu ihrem Kindergeburtstag kommen. Ich werde morgen selbst zum Kloster fahren.«
    Eschle erhob sich. »Okay Herr Ritter. Wenn Sie noch etwas brauchen, dann melden Sie sich. Ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung.«
    Erik nickte und schenkte ihm ein gekünsteltes Lächeln. »Es wird noch genügend Arbeit auf Sie zukommen, machen Sie sich da keine Sorgen. Ich informiere Sie über den Besuch beim Kloster. Einen schönen Abend noch.«
    Mit einem kurzen Handschlag verabschiedeten sich die beiden Männer. Wenig später fiel die Türe hinter Daniel Eschle ins Schloss.
    Erik blieb vor der Türe stehen und starrte bewegungslos auf das dunkle, gewachste Holz. Seine Gesichtszüge spiegelten sich verzerrt und unwirklich in der glatten Politur. Er sah aus wie ein fahles Gespenst, das kränkelte. Erschöpft fuhr sich Erik durch die Haare, dann wandte er sich von seinem grauenhaften Spiegelbild ab.
    So kannte er sich überhaupt nicht. Noch nie hatte ihn ein Projekt so mitgenommen, angestrengt – ja, bis an die Grenzen getrieben – ja, aber so ausgelaugt – nein. Irgendetwas stimmte einfach mit diesem Projekt nicht. An allen Ecken und Kanten stellte es sich quer. Die Bürgerinitiative, die Waldbauern, anfangs die Architekten und nun das seltsame Kloster. Dazu Natalja und Elias.
    Seufzend trat er an den Schreibtisch und nahm einen tiefen Schluck aus dem stillen Quellwasser. Er verspürte ziehende, stechende Kopfschmerzen an den Schläfen. Wie immer hatte er zu wenig getrunken, wenn er in die Arbeit vertieft war und geschlafen hatte er auch schlecht. Wie schon die letzten Tage. Zu viele Probleme polterten durch seinen Kopf, hielten ihn nachts wach, ließen ihn hin und her wälzen.
    Nein, langsam musste er einsehen, dass er auch älter wurde. Er war einfach keine Dreißig mehr, wo man solche Mammutprojekte locker verkraftete. Er würde nach diesem Projekt einen Gang runterschalten, ausgiebig Urlaub machen und sich dann erst Mal um seine laufenden Hotels kümmern.
    Oder vielleicht ein kleines Projekt anpacken.
    Er stellte das leere Wasserglas zurück auf den Tisch. Ein Blick auf seine Uhr verriet ihm, dass halb sieben bereits durch war.
    Erik fasste einen Entschluss. Für heute würde er Feierabend machen und noch auf einen kurzen Besuch zu Ruppert fahren. Die Hausarztpraxis seines langjährigen, besten Freundes lag gut fünfzehn Autominuten entfernt. Ruppert würde sicher noch in der Praxis sitzen und den Schreibkram erledigen.
    Erik packte seine Aktentasche zusammen, steckte die wichtigsten Dokumente über das Angebot für das Kloster ein, fuhr den Computer herunter und schlüpfte in einen warmen, wollenen Mantel, den er am liebsten trug.
    Dann verließ er sein Büro. Sein Blick fiel unterwegs auf den Schreibtisch von Frau Schwarz, der im Vorzimmer zu seinem Büro stand. Er war akkurat aufgeräumt, die Stifte steckten in Reih und Glied in einem Edelstahlbecher mit der Ritter-Firmengravur, und er war verlassen. Seine Sekretärin musste vor wenigen Minuten gegangen sein, wahrscheinlich zusammen mit Herrn

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