Blut und Harz
nicht mithalten.« Die Stimme seines Sohnes klang schwermütig, leicht genervt; so wie sie seit ihrem ungewollten Sexerlebnis ständig klang. »Aber das ist nicht der Punkt, warum ich anrufe. Natalja und ich haben uns entschlossen, noch einige Tage länger zu bleiben. Spätestens am Wochenende reisen wir aber ab. Ist das für dich in Ordnung? Können wir so lange bleiben?«
»Natürlich!« Erik war wirklich überrascht. Er hatte geglaubt, dass sie sobald wie möglich die Koffer packen würden, aber vielleicht war Elias nun endlich über die peinliche Situation hinweg.
»Gut. Dann weißt du Bescheid«, sagte sein Sohn. »Wir sehen uns dann eventuell heute Abend.«
»Warte!« Erik hielt ihn vom Auflegen zurück. »Ich wollte nur sagen-« Ja, was eigentlich? Ein plötzliches Gefühl der Väterlichkeit brandete in ihm hoch.
»Ist irgendetwas passiert?« fragte Elias, offensichtlich durch die Pause seines Vaters irritiert.
»Nein, nichts ist passiert. Ich wollte nur sagen, dass ich mich freue, dass ihr beide noch ein paar Tage bleibt. Mehr nicht. Und grüß Natalja von mir.«
»Okaaay?« In dem einen Wort schwang Verwirrung mit. Solche Gefühlsausbrüche kannte sein Sohn von ihm eigentlich nicht und er von sich selbst auch nicht! »Ich freue mich auch, Vater, und ich richte ihr deinen Gruß aus«, hörte er Elias sagen. »Aber ich muss jetzt los. Wir wollen noch zum Essen. Bis später dann.«
»Ja und viel Spaß!«
Die Verbindung wurde unterbrochen.
Erik legte kopfschüttelnd auf. Die ganze Geschichte brachte ihn ganz durcheinander, aber vielleicht waren etwas väterliche Gefühle nicht unangebracht. Vielleicht würde es Elias besser stimmen. Sein nun doch längerer Aufenthalt war möglicherweise ein erstes positives Zeichen.
An der Tür klopfte es kurz, dann trat sein Anwalt Eschle ohne Aufforderung ein. Er wurde von Erik bereits erwartet.
»Herr Eschle, pünktlich wie immer«, begrüßte Erik seinen Gast.
»Hallo Herr Ritter. Ich muss gleich mit der Tür ins Haus fallen. Ich muss mich heute nämlich etwas sputen, da ich noch auf einen Kindergeburtstag meines Neffen muss. Ich hoffe, Sie verstehen meine Eile.«
Erik nickte, doch sein vorher aufgesetztes Lächeln erlosch. Er hasste es, wenn man ihn abspeisen wollte. Er nahm sich immer die nötige Zeit für seine Kunden. Alles andere konnte warten. Andererseits war er mit der Arbeit seines Anwaltes durchwegs zufrieden. Da konnte man einmal über eine solche Kleinigkeit hinwegsehen. Er wählte den nachsichtigen Weg.
»Das ist kein Problem. Ich weiß ja selbst, wie das mit Kindergeburtstagen ist.« Erik bot Eschle mit einer einladenden Geste einen ledernen Stuhl an. »Dann kommen wir doch gleich zur Sache. Was haben Sie bisher erreicht?«
Eschle nahm Platz und knöpfte sich hastig das dunkle Nadelstreifensacko auf, dessen Farbton ins auberginefarbene tendierte. Aus einer Ledermappe fischte er drei säuberlich ausgeschnittene Zeitungsberichte hervor.
»Die Angelegenheit mit dem Brand und der Presse konnte ich zu unserer Zufriedenheit klären. Zwei Blätter haben zwar trotzdem versteckte Andeutungen wegen Brandstiftung gemacht, aber das ist nicht der Rede wert. Im Tagblatt wurde heute nämlich von der Polizei eine Brandstiftung ausgeschlossen. Ich zitiere: ›Fahrlässigkeit habe wohl dafür gesorgt, dass erst ein Sofa im Wohnzimmer des Wohnhauses anfing zu kokeln und später zu dem vernichtenden Hausbrand führte, berichtet die Polizei am Dienstag. Wie eine Sprecherin der lokalen Dienststelle mitteilte, könne Brandstiftung definitiv ausgeschlossen werden. Die Polizei berichtet weiter, dass der Gesamtschaden, der aus dem Brand resultiert, auf mehr als 400.000 Euro geschätzt wird.‹« Ein freundliches Lächeln huschte über Daniels Gesichtszüge, als er selbstzufrieden mit dem Zeitungsartikel wedelte und zu seinem Auftraggeber aufblickte. »Damit sind alle Gerüchte im Keim erstickt.«
Erik konnte nur anerkennend nicken. So hatte er sich das vorgestellt und wieder einmal hatte ihn sowohl Eschle als auch der Rabe nicht enttäuscht. Einwandfreie Arbeit. Schnell und präzise.
»Das sind wahrlich gute Neuigkeiten«, sagte er. »Ich hoffe, Sie können mir bezüglich des Klosters ähnlich Erfreuliches berichten. «
Eschles Zufriedenheit erstarrte augenblicklich bei Eriks Worten. Das Lächeln erlosch und Erik wusste sofort, dass die Neuigkeiten hier nicht so positiv ausfallen würden.
»Leider nein, Herr Ritter. Auf alle Anfragen habe ich keine Antwort erhalten.
Weitere Kostenlose Bücher