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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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mit einer Klappe schlagen.«
    Reimund antwortete nichts. Raphael hatte den Rest Reimund wieder zurückgedrängt. Er ließ sich den Vorschlag ernsthaft durch den Kopf gehen. Der Abt in ihm wog ab, er überdachte die Konsequenzen. Bruder Johannes wartete hingegen mit stoischer Ruhe. Nach fünf schweigenden Minuten nickte Reimund. »Du hast Recht Johannes. Das ist wohl die beste Alternative. Etwas Anderes fällt mir auch gerade nicht ein. Bleibt nur noch Eriks Büro. Jemand müsste zur Sicherheit dorthin und nach Informationen über das Kloster suchen. Erik hat bestimmt Unterlagen, Akten, Dateien angelegt. Emails! Alles müsste geprüft und vernichtet werden. Das letzte was wir gebrauchen können sind polizeiliche Ermittlungen, die uns hier das Kloster auf den Kopf stellen.«
    Johannes trat neben ihn. Seine Augen musterten ebenfalls den drückend wirkenden Hain, der sich vor ihnen majestätisch inmitten der Klostermauern erhob. Der Geruch von feuchter Erde hing in der Luft.
    »Das können wir aber nicht auch noch von diesem Killer machen lassen. Er weiß ja nicht einmal, welche Informationen verschwinden müssten.«
    »Kannst du das übernehmen?« fragte Reimund seinen Ordensbruder leise.
    »Was ist mit dir? Du kennst Erik Ritters Gepflogenheiten am besten.«
    »Ja, aber ich muss in guten vier Stunden meinen Flug bekommen und davor dem Raben noch einen Besuch abstatten. Ich schaffe es zeitlich nicht.«
    Bruder Johannes drehte überrascht den Kopf. Die fahle Haut spannte sich straff über die schlanken Wangenknochen. »Du fliegst heute noch weg? So kurzfristig?«
    »Ja.« Reimund starrte weiterhin in die drückenden Schatten, die zwischen den wuchtigen Stämmen hin und her wogten als wären sie lebendig. Als würden sie warten. Lauern. »Ich wurde für eine Schöpfung gerufen.«
    Johannes nickte nur wissend.

Kapitel 9
    Das Wasser sprudelte gluckernd im silbrigen Edelstahlkocher. Hin und wieder knackte das Metall. In wenigen Sekunden würde das Wasser kochen.
    Alexander warf zwei Teebeutel Ingwer-Honig in eine Teekanne. Danach begann er auf einem hölzernen Küchenbrett die Rinde von einem Stück frischen Ingwers zu entfernen. Das scharfe Messer glitt schmatzend in die feuchte Wurzel.
    Es liegt an diesen verdammten, fingierten Unfällen, stellte er gedankenversunken und grimmig fest. Früher, als er noch für Sergei tätig gewesen war, hatte er die Klienten schlicht und ergreifend im Namen des Bären erschossen. Kurz und schmerzlos. Ein Schuss in die Brust, aufs Herz gezielt, und ein zweiter in die Magengegend, zur Kontrolle, falls der erste das Herz verfehlte. Ein richtiger Mord. Niemanden hatte es interessiert. In irgendeiner Polizeistatistik tauchten die Opfer zwar wieder auf, doch die Arbeit an sich war unkompliziert und sauber gewesen. Im Gegensatz zu heute. Fingierte Autounfälle! Aber früher war sowieso alles besser gewesen. Die Zukunft brachte nur stinkigen Mist und Probleme mit sich. Finanzkrisen! Pah! Gammelfleisch! Pah! Stuttgart 21! Pah! Aberkannte Doktortitel! Pahhhhhhh!
    Die Rinde wanderte in den Biomüll, der neben der in Nussbaum gehaltenen Küchenzeile stand. Dann schnitt er das glänzende Stück Knolle in feine Scheiben.
    Währenddessen drifteten seine Gedanken zu seinen Anfängen zurück, zu guten alten Zeiten. Er erinnerte sich noch haargenau, wie er den präzisen Umgang mit einer Dragunow von Sergei gelernt hatte. Abstand zum Klienten: 500 bis 800 Meter. Damals war er ein blutiger Anfänger gewesen, was den Umgang mit Scharfschützengewehren anging. Anfänger kauerten versteckt auf Hausdächern, visierten ihr Opfer aus sicherer Entfernung an, drückten den Abzug und verschwanden wieder. Profis hingegen wagten sich schon hin und wieder direkt an ihr Ziel. Alexander hatte schnell die Dragunow gegen Pistolen getauscht. Er hasste diese Unpersönlichkeit bei einem Auftrag. Am liebsten hatte er mit dem Messer gearbeitet oder mit einer Garotte. Diese besonderen Aufträge konnte er aber an beiden Händen abzählen. Es hatte ihn Jahre harten Trainings gekostet, bis er sich so nah an sein Opfer heranwagen konnte. Nur die Besten beherrschten dies meisterlich. Alexander zählte dazu. Er wusste es, doch es war ihm egal. Ein flaches Lächeln huschte über seine Lippen.
    Ja, die sieben Mörder seines Onkels waren wahrlich bilderbuchhaft ausgeblutet. So nah wie diesen Männern war er keinem Opfer gekommen und so emotional hatte er nie wieder gearbeitet. Normalerweise verspürte er wenig bei seiner Arbeit.

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