Blut und Harz
Romanautoren sei. Augen die dunkler oder schleierhaft wurden, oder die noch ganz andere Dinge taten. Ihn fröstelte es plötzlich, trotz des heißen Tees.
»Sie sollen danach jeden dieser Mitwisser ausschalten. So schnell wie möglichst.«
Stille senkte sich über das Esszimmer. Die beiden ungleichen Männer starrten sich stumm an.
»Was springt dabei für mich raus? Herr … wie soll ich Sie eigentlich nennen?«
»Nennen Sie mich einfach Bruder Raphael.«
Alexander nickte. »Gut, Bruder Raphael. Sie glauben hoffentlich nicht, dass ich mehrere Personen kostenlos umlege, nur weil mir heute Morgen ein korrigierbarer Fehler unterlaufen ist.«
Raphael schüttelte den Kopf. »Nein, so naiv bin nicht einmal ich.« Er lächelte kalt. »Wir hatten für Erik Ritter den zehnfachen Preis vereinbart. Ich zahle ihnen pro Mitwisser ebenfalls den zehnfachen Preis. Nur erst im Nachhinein. Ich kann ja schließlich nicht wissen, wie viele Mitwisser sie umlegen müssen.«
Das Angebot saß. Alexander trank langsam von seinem Tee, um sich die Offerte durch den Kopf gehen zu lassen. Während er überlegte, tänzelten die scharfen Aromen des frischen Ingwers und des Honigs über seine Zunge.
»Sehen Sie, Herr Kowalski, Geld spielt keine Rolle. Mir geht es nur darum, dass alles schnell erledigt wird und dass die Leute auch sterben.«
Alexander stellte die halbleere Tasse zurück auf das Buchenholzimitat des Tisches. »Abgemacht«, sagte er. »Ich nehme Ihr Angebot an.« Was blieb ihm auch sonst anderes übrig? Der Mann kannte seine Adresse, seinen Namen, seine Handynummer. Er konnte sich nach diesem Auftrag eine neue Wohnung suchen und sich neu einleben. Von einer neuen Identität ganz zu schweigen. Das würde einen ordentlichen Haufen Geld kosten.
Raphael lächelte. Gleichzeitig streckte er ihm die Hand entgegen. »Wie in guten alten Zeiten besiegelt der Handschlag ein Geschäft. So lobe ich mir das.«
Die beiden Männer reichten sich die Hände und standen dabei auf. Überrascht stellte Alexander fest, dass die Hand des Mönchs warm und trocken war. Raphael war wohl in keinster Weise aufgeregt oder nervös. Er strahlte vollkommene Ruhe aus. Dieser Mann muss wirklich Macht haben oder einen unbeirrbaren Glauben. Wie sonst, konnte man bei einer Auftragserteilung eines mehrfachen Mordes ruhig bleiben? Wie ging das aber mit wahrem Glauben zusammen?
Alexander wischte die Überlegungen beiseite und geleitete seinen Gast zur Wohnungstüre. Der zarte Geruch von frischem Moos und goldenem Harz begleitete den Mönch. Noch bevor Raphael den chromfarbenen Griff in Händen hielt, erlaubte sich Kowalski nun doch eine Frage.
»Eine Frage hätte ich noch, Bruder Raphael. Wenn Sie schon ihre Augen und Ohren überall haben, können Sie mir sicher sagen, wo ich Erik Ritter finde. Es würde mir einiges an Zeit ersparen.«
Der Mönch blieb stehen, nickte stumm, den Griff in der Rechten. Dann sagte er: »Es gibt nur einen Ort, wo er momentan sein kann. Im Ostklinikum bei seinem Sohn. Zimmer 213.«
***
Erik starrte mit rot geränderten Augen auf die gesprenkelte Granitplatte. Die feuchte Luft hatte Billionen winziger Wassertröpfchen auf dem polierten Stein hinterlassen, den Granit durch die Nässe schwarz gefärbt. Das rostfarbene Blumengesteck erhob sich einsam neben dem winzigen brennenden Licht, das leicht wogend aus dem Windschutz herausleuchtete.
Elias war an seinem Geburtstag also hier gewesen, stellte er schmerzlich fest. Von wem sonst sollte die Kerze stammen? Der Gedanke an seinen Sohn zuckte wie ein Stromschlag durch seinen Körper, ließ Erik erschauern. In seiner Brust brannte es kurz auf. Warum war das Leben so grausam? fragte er sich. Erst hatte es ihm Maria genommen, zwar in einem Tausch gegen ein anderes, wundervolles Leben, aber trotzdem. Maria hatte es so gewollt. Elias nicht. Er hatte den Unfall sicher nicht gewollt, aber war es nicht auch eine bewusste Entscheidung gewesen, das Risiko einer Verletzung einzugehen? Das Leben des Sohnes gegen das Leben des Vaters? War dieser Handel nicht vollkommen sinnlos? Ein Leben, das mehr als ein halbes Jahrhundert hinter sich gebracht hatte, gegen ein Leben, das noch alles vor sich hatte? Dem alle Wege und Türen noch offen standen?
Erik ballte die klammen Hände zu Fäusten. Nein, das wäre kein fairer Tausch mit dem Schicksal. Könnte er es rückgängig machen, würde er es sofort tun. Was hätte Marias Opfer damals gebracht, wenn es nun mit Elias so zu Ende ging? Kein Vater sollte je
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