Blut und Harz
Heraldiker, den Frau Schwarz mit Recherchen über das Kloster beauftragt hat. Wären es also vier Personen. Und vielleicht der alte Pfarrer Lahm, aber das kann ich Ihnen nicht sagen. Das weiß nur Frau Schwarz.«
»Was ist mit ihrem Sohn und seiner Freundin? Wissen beide wirklich nichts davon?«
Alexander schob sich eine erste Gabel in den Mund. Das gekühlte Kraut war erfrischend, die Süße künstlich, aber anregend. Zweckmäßig kaute er, während er auf eine Antwort wartete. Als Erik nicht antwortete, schluckte Alexander den Bissen hinunter. Er lächelte.
»Also doch. Sie haben gut gelogen. Beide sind ebenfalls Mitwisser. Wären es also mindestens sechs Personen. Ich habe es Ihnen im Krankenhaus wirklich geglaubt. Aber wo ist eigentlich die Freundin ihres Sohnes?«
Als Alexander ein Glitzern in Eriks Augenwinkel wahrnahm, ging ihm ein Licht auf. »Sie war also im Krankenhaus in der Toilette?«
»Ja«, war alles, was Erik als Antwort flüsterte. Sein Kopf sackte nach unten. Eine Träne tropfte auf die Glasplatte.
Alexander mampfte den nächsten Bissen hinunter.
»Erwarten Sie von einem Mann wie mir keine Reue«, sagte Alexander kauend. »Ich habe zwar – poetisch gesagt – kein Herz aus Eis, aber mit einem Hang zu Reue wäre ich nicht das, was ich heute bin. Falls ihre Schwiegertochter in Spe gestorben ist, tut es mir leid und was mit ihrem Sohn passiert ist, ebenfalls.« Die Gabel förderte einen weiteren Happen in seinen Mund. »Aber vielleicht ist ihrer Schwiegertochter gar nichts passiert. Wenn sie nicht direkt hinter der Tür stand, als ich schoss, gingen die Kugeln ins Leere. Und wenn nicht, dann hatte sie den wohl kürzesten Weg zu helfenden Ärzten.«
Erik blickte auf. Sein Gesicht zeigte keine Regung, doch in seinen Augen sah Alexander einen Funken Hoffnung blitzen. Schweigend trank Erik anschließend von seinem Wein. In den Alltagsklamotten, dunkelblauer Jeans, T-Shirt und schwarzem Pulli, die Erik in seinem Arbeitszimmer auf Befehl des Raben an Stelle von Stoffhose, Hemd und Sakko angezogen hatte, sah er nicht mehr nach dem Businessmann aus, sondern nach einem sportlichen, normalen Mittfünfziger.
Alexander fuhr unbeirrt fort. »Im Endeffekt brauchen wir so viele Informationen über Reimund Schell und das Kloster, wie wir nur kriegen können. Dann können wir entscheiden, was wir tun, um aus dieser beschissenen Situation herauszukommen.«
»Das mit den Informationen könnte schwierig werden.«
Alexander legte fragend den Kopf schief, schob sich die nächste Gabel Kraut in den Mund. »Warum?«
Erik seufzte. »Ich habe meine Sekretärin mit einer ausführlichen Recherche über das Kloster beauftragt. Sie konnte nichts darüber herausfinden. Auf Google Maps gibt es das Kloster nicht einmal. Es existiert nur Wald auf dem Satellitenbild. Auch mein Navi kennt die Adresse nicht. Post kommt zurück; Adressat unbekannt. Man hat den Eindruck, als wäre es ein Geisterschloss, nicht vorhanden – oder absichtlich verschleiert.«
»Bleibt also nur der Heraldiker? Vielleicht hat er neue Informationen. Haben Sie die Adresse des Mannes?«
Erik schüttelte den Kopf. »In meinem Büro hat Frau Schwarz sicher Kontaktdaten. Wir müssten dorthin fahren.«
Kowalski schob sich den letzten Bissen in den Mund. Ein dicker Speckwürfel zerplatzte krachend zwischen seinen Zähnen, verursacht von einem harten Knorpel. Alexander biss die Verwachsung auseinander und schluckte den Rest hinunter.
»Dann ist ja alles klar. Lassen Sie uns gehen.«
Er legte die Gabel neben das leere Einmachglas, schraubte dieses zu und trank den Rest Wasser. Erik kippte seinen Wein zeitgleich hinunter.
Ein Klingelton zerriss die Stille des Hauses. Das Bimmeln drang gedämpft aus einer seiner Jackentaschen. Alexander holte das leuchtende Mobiltelefon heraus. Es war Eriks Handy. Auf dem Display stand: Unbekannt.
»Wer ist es?« fragte dieser neugierig.
Alexander steckte das läutende Telefon zurück in seine Jacke. Den penetranten Klingelton ignorierte er. »Unbekannter Anrufer. Wahrscheinlich die Polizei. Der Mord ist knappe eineinhalb Stunden her. Wir sollten aufbrechen. Ich möchte kein unnützes Risiko eingehen. War der kleine Ausrutscher im Krankenhaus schon überflüssig genug.«
»Kleiner Ausrutscher?« Erik starrte ihn entgeistert an. »Sie haben eine unschuldige Krankenschwester eiskalt erschossen und das nennen sie einen Ausrutscher? Sie hatte noch ihr ganzes Leben vor sich!« Seine Stimme überschlug sich, klang
Weitere Kostenlose Bücher