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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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schrill.
    Alexander zuckte nur mit den Schultern. »Kollateralschäden kommen im Krieg immer mal vor. Da stecken wir nicht drin. Sie war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.«
    Er stand auf, steckte die Pistole ein. Für ihn war das Thema beendet.
    Erik hingegen blieb sitzen, taxierte den Auftragsmörder.
    »Was werden Sie eigentlich mit mir machen, wenn wir zusammen das Problem mit Reimund und dem Kloster gelöst haben? Wollen Sie mich dann immer noch erschießen?«
    Die Frage war ausgesprochen. Alexander hatte schon lange darauf gewartet.
    Eine knappe Minute stand er einfach nur schweigend da, musterte Erik Ritter aus seinem raubvogelhaften, verbrannten Gesicht. Alexander wusste, welche Wirkung sein Auftreten bei Menschen normalerweise verursachte: Sie blickten nach einem Herzschlag zu Boden, versuchten seinem mörderischen Blick auszuweichen.
    Ritter hingegen nicht. Seine dunkelbraunen Augen waren die ganzen sechzig Sekunden über standhaft und unbeugsam.
    Dann zuckte Alexander kurz mit den Schultern.
    »Das werden wir sehen, wenn es so weit ist.« Ein minimalistisches Lächeln umspielte seine Lippen. Er deutete Richtung Garage. »Gehen wir!«
    ***
    Das monotone Tuten wurde von einer mechanischen Frauenstimme abgelöst: »Ihr Gesprächspartner ist leider nicht erreichbar. Versuchen Sie es-«
    Natalja legte schwer schnaufend auf. Sie hatte nicht erwartet, dass Erik an sein Handy ging. Es wäre auch überraschend gewesen, hätte er während seiner eigenen Entführung ein Gespräch annehmen können. Aber ein Versuch war es wert gewesen. Doch dieser Versuch hatte ihr vor Aufregung den Puls hochgetrieben.
    Keuchend steckte sie das Mobiltelefon in ihre Jackentasche, dann führte sie der Weg weiterhin durch den zähen Nebel. Ihr linkes Augenlid begann plötzlich unkontrolliert zu zucken, gefolgt von einem Kribbeln, das durch ihre Wangen, über den Kiefer hinab in den Nacken brandete. Es fühlte sich nicht nach tausend wandernden Ameisen an, sondern nach einem inneren Wummern, einem nur fühlbaren Tremor innerhalb ihres Gesichtes. Was war los, fragte sie sich alarmiert. Ihre Muskulatur verkrampfte sich urplötzlich, ließ sie erbeben. Sie bekam keine Luft mehr. Hektisch sog sie den nebelgeschwängerten Sauerstoff in ihre Lungen, atmete nur minimal aus, um sofort wieder tief zu inhalieren.
    Das Kribbeln verstärkte sich, ihr ganzer Körper begann zu zittern. Natalja hielt wankend an, stützte sich schwer auf den Lenker, ließ den Kopf nach unten hängen. Alle Nervenfasern in ihrem Körper kreischten gleichzeitig, an den Rändern färbte sich ihr Blickfeld schwarz. »Hilfe!« wollte sie schreien, doch kein Laut kam über ihre ausgedörrten Lippen. Stattdessen atmete sie erneut ein, meinte zu ersticken. Ihr Mund war bereits staubtrocken, trotz der feuchten Luft. Sie schien eine dicke, angeschwollene Zunge im Hals zu haben, die ihr noch mehr den Atem abschnürte.
    ICH MUSS ERIK RETTEN! durchzuckte sie ein schmerzhafter Gedanke. ER BRAUCHT MICH! ICH KANN NICHT HIER AUFGEBEN! Wut und Angst zugleich kämpften in ihrem Inneren um die Herrschaft, ein erbittertes Duell. BERUHIG DICH! tadelte sie sich selbst. Sie schüttelte sich unkontrolliert, dann konnte sie abrupt wieder ausatmen. Die Wut hatte einen ersten Treffer gelandet. Pfeifend presste sie den Atem als weißen Dampf in den Abend. Du kannst Erik noch retten, aber du musst weiter!
    Entschlossen nickte sie sich selbst zu. Ihre kribbeligen Finger packten die Griffe fester. Das Zittern wurde schwächer. Ihr Atem beruhigte sich, das Wummern verschwand fast vollständig. Gleichzeitig setzte jedoch eine tiefe Erschöpfung ein.
    Müde ließ sie sich auf den Sattel sinken und zog die Flasche Cola aus ihrer Jackentasche, die sie vor lauter Stress noch nicht getrunken hatte. Jetzt war der richtige Zeitpunkt gekommen. Ihre Zunge klebte an ihrem Gaumen, fühlte sich pelzig an. Ihr war, als hätte sie Sand gefressen.
    Sie öffnete die Flasche, doch ihre Finger glitten an dem geriffelten Plastik ab. Erst beim dritten Versuch gelang es ihr, den Verschluss zu drehen, die kleinen Plastikverbindungen am Rand zu kappen. Sie lehnte ihren Kopf nach hinten, schloss ihre Augen und nahm einen großen Schluck.
    Noch nie war eine Cola so prickelnd und erfrischend gewesen, noch nie hatte sie das Gemisch aus Farbstoff, Zucker und Koffein mehr geschätzt. In einem gierigen Zug leerte sie die halbe Flasche, den Rest steckte sie zurück in ihre Jacke.
    Sie musste weiter! Es waren keine fünf Minuten

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