Blut und Kupfer
bedrückt.
»Für Seine Gnaden war der Verlust des Schlosses ein schwerer Schlag. Er hat an allem sehr gehangen. Aber so geht es in der Welt. Der arme Mann konnte nicht wirtschaften und hat auch deshalb seinen Sohn zeitig an die Regierung bestellt.«
»Beklagen können sich Seine Gnaden wohl nicht. Für den Bau der Veste wurden über fünfzig Bürgerhäuser niedergerissen!«, bemerkte Marie, in deren Kopf sich das Bild eines abgedankten Herrschers mit unerfüllten Ambitionen und großem Geltungsbedürfnis formte.
Stoll warf ihr einen strafenden Blick zu. »Seine Gnaden haben weltlichem Pomp abgeschworen und sich ganz der Rettung seines Seelenheils verschrieben.« Mit erhobenem Finger dozierte der Beamte: »Nicht umsonst grenzt die Veste an das Jesuitenkloster und die Michaelskirche!«
Seelenheil, dass sie nicht lachte! Gold sollte ihm fließen aus der Retorte! Genau das hatte Maximilians Vater damals verlauten lassen, als er den Hochstapler aus Piacenza nach München gerufen hatte. Sobald sie Gelegenheit dazu hatte, musste sie einen Brief an Remigius schreiben. Ein kleiner Trost im Schmerz des übereilten Abschieds war die hilfreiche Els, die versprochen hatte, für Remigius’ Wohlergehen Sorge zu tragen. Els und ihr Onkel Veit waren neben Martha die einzigen Menschen auf dem Gut, denen Marie halbwegs vertraute. Solange Albrecht Geld von seinem Oheim zu erwarten hatte, waren zumindest von seiner Seite keine unliebsamen Überraschungen zu erwarten. Wenn doch nur Ruben noch dort gewesen wäre! Sie schloss die Augen und dachte an die wenigen kurzen Momente der Zärtlichkeit, die sie geteilt hatten. Heilige Jungfrau, betete Marie, lass ihn die Tafel finden und bring ihn zu mir zurück. Ich habe dich noch nie um etwas gebeten, doch darum bitte ich dich in aller Demut. Und noch während sie ihr Stoßgebet in Gedanken sagte, fand sie ihre Bitte vermessen und ahnte, dass die Strafe für ihre Selbstsucht nicht ausbleiben würde.
Am frühen Vormittag des zweiten Tages rollte der Wagen vorbei an klappernden Wassermühlen über die Isarbrücke in die Residenzstadt. Sie passierten die Wachhäuser, ohne dass eine der Stadtwachen sie mit Fragen behelligte, was Marie dem martialischen Auftreten des Soldaten Marzinger zuschrieb. Der Wagen folgte der Stadtmauer in Richtung der Residenz, bog jedoch vor dem Marstall ab, und als Marie den berüchtigten Falkenturm erblickte, sank ihr Mut.
»Man will mich im Gefängnis verhören?«, fragte sie mit brüchiger Stimme.
Der Secretarius lächelte unverbindlich. »Eine Routineangelegenheit, wie ich annehme. Hatte ich den Ort des Verhörs nicht erwähnt?«
Angstvoll starrte Marie auf die hoch aufragenden Mauern des Gefängnisturms, in dem manche unschuldige Seele ein schreckliches Ende gefunden hatte. Am Ufer des Pfisterbachs, der hier über den Stadtgraben geleitet wurde, lag ein Hundekadaver, über den sich Krähen hermachten. Mit Hellebarden bewaffnete Soldaten standen in herzoglichem Blauweiß vor dem Eingangstor des Falkenturms. Als der Wagen endlich auf dem holprigen Pflaster anhielt, saß Marie angespannt auf ihrer Bank und warf Stoll einen versteckten Blick zu. Während der gesamten Fahrt hatte dieser verlogene Kerl munter geplaudert, als wären sie auf dem Weg zu einem offiziellen Gespräch in der Residenz, und nun das!
»Warum hier, Secretarius?«, fragte sie rasch, als die Tür aufgerissen wurde.
»Ihr werdet es in Kürze erfahren, Gnädigste. Darf ich bitten?«
Dieser Kerl war so aalglatt wie seine fettigen Haarsträhnen, und sie hatte ihn für geschwätzig und harmlos gehalten. Widerwillig ließ sie sich aus dem Wagen helfen und starrte auf das Stadtgefängnis, das sie bis dato nur vom Hörensagen kannte.
»Hätte ich Euch gesagt, wohin ich Euch bringe, hättet Ihr Euch nur unnötig gesorgt«, sagte Stoll.
Sie sah ihn zweifelnd an. Was auch immer seine Beweggründe sein mochten, sie hatte ihn falsch eingeschätzt. Dass er für Zeiner arbeitete, hätte ihr Warnung genug sein sollen. »Sehr rücksichtsvoll von Euch.«
Marzinger war von seinem Pferd gestiegen und brüllte die herumlungernden Wachen an: »Faules Pack, kommt her und kümmert euch um die Pferde! Weiberröcken könnt ihr später nachsteigen.«
Die Männer grinsten tumb und taten, ohne zu murren, was Marzinger verlangte.
Stoll begleitete Marie über den gepflasterten Vorplatz zum Eingang, als der Wagen sich wieder in Bewegung setzte. »Mein Gepäck!«, rief Marie und drehte sich entsetzt um.
»Dafür wird
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