Blut und Kupfer
Oheim sagt, dass die Verbindung von Pietra-Dura und Scagliola eine Besonderheit darstellt. Das Bildmotiv in der Tafelmitte sieht aus wie ein Gemälde, und er ist ganz fasziniert von der Scagliola-Technik. Mit Verlaub, Durchlaucht.«
Maximilian schnaufte. »Da habe ich die besten Scagliola-Künstler am Hof, keiner kennt angeblich das Geheimnis ihrer Kunst, und dann muss ich feststellen, dass Ihr Oheim eine ganz außergewöhnliche Tafel besitzt, ebenso wie der Herr von Tulechow. Plötzlich schwärmt alle Welt von diesen Tafeln! Ich besitze das alleinige Monopol auf die Scagliola-Kunst!«
»Weiß Sie um die anderen Tafeln, von denen die Rede ist?«, fragte der alte Herzog freundlich.
»Nein, Durchlaucht. Das heißt, mir kam zu Ohren, dass in Wasserburg ein Apotheker wegen einer ähnlichen Tafel ums Leben gekommen ist, und wenn ich mich richtig erinnere, wurde dem Herrn von Tulechow eine Tafel gestohlen«, sagte Marie bescheiden.
»Das sind doch recht viele Zufälle«, meinte Wilhelm, der das siebzigste Jahr anstrebte. »Es geht eine Mär von einem Edelsteinschneider des Lorenzo il Magnifico …« Wachsam beobachtete er Marie, die jedoch nur erstaunt die Augen aufriss.
»Von vier Tafeln wird da gesprochen. Vier geheimnisvolle Bilder, die vielleicht den Schlüssel zum Lapis philosophorum …« Wilhelm unterbrach sich, denn sein Sohn warf ihm einen wütenden Blick zu.
»Teufelszeug, schwarze Magie! Dagegen kämpfe ich mit aller Macht und habe mein Herzogtum zu einem Land gemacht, in dem es weniger Hexen gibt als anderswo! Durch die flächendeckenden Jesuitenschulen wird der Aberglaube zurückgedrängt, und meine neu erlassenen Mandate halten das Volk zur Sittenhaftigkeit an. Wenn es wahr ist, dass in diesen Tafeln Zauberformeln verborgen sind, dann werde ich sie zerstören lassen, eine nach der anderen!« Maximilians schrille Stimme überschlug sich, und sein Vater verzog angewidert das Gesicht.
Marie sah die Chancen auf Verwirklichung von Remigius’ Wunsch bedenklich schwinden.
»Nun, wenn ich es richtig verstehe, befindet sich die Tafel Ihres Oheims in einem Turm auf dem Familiengut und ist der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Warum sollte man einem alten Mann seinen letzten Wunsch nicht erfüllen? Wir sind gute Christenmenschen«, sagte Wilhelm mit einem um Zustimmung heischenden Lächeln.
Ein Zeichen des Zeremonienmeisters erregte Maximilians Aufmerksamkeit, und er rutschte ungeduldig auf seinem Stuhl. »Gut, gut. Soll Sie Ihrem Oheim sagen, er kann sich weiter an meiner Tafel ergötzen. Nur vergesse er nicht, dass es meine Tafel ist, sobald die eintausend Gulden angewiesen sind.«
Strahlend wollte Marie sich erheben, bemerkte gerade noch rechtzeitig, dass sie nicht entlassen worden war, und verharrte auf der Stuhlkante. »Tausend Dank, Durchlaucht! Mein untertänigster Dank!«
»Bevor Sie geht, noch eine Sache. Herr von Tulechow hat um die Erlaubnis einer Eheschließung bei mir ersucht.« Maximilian sah sie fragend an.
Überrascht und beschämt brachte Marie kein Wort heraus.
»Ich nehme Ihr Schweigen als Zustimmung und genehmige das Gesuch. Bleibt zu hoffen, dass Ihr zukünftiger Gatte nicht den Tod durch den Degen Ihres Bruders findet. Sie kann gehen.«
Wie gelähmt verließ Marie das Audienzzimmer, nickte stumm, als Stoll etwas zu ihr sagte, und folgte dem Secretarius wie an Fäden gezogen. Hatten denn die Wände bei Hof Augen und Ohren? Nichts schien dem Herzog verborgen zu bleiben! Aber die größten Sorgen bereitete ihr Wilhelm von Bayern. War Maximilians Vater nur zufällig bei dem Gespräch zugegen gewesen? Unwahrscheinlich, denn er hatte gewusst, dass sie Remigius’ Nichte war. Maximilian hatte seine Verabscheuung von Aberglauben und allem Magischen deutlich zum Ausdruck gebracht. Er würde solcherlei Aktivitäten seines Vaters nicht unterstützen. Oder hatten die beiden ihr nur eine gut einstudierte Szene vorgespielt aus einem Stück, dessen Akte sie nicht kannte?
Die Festgesellschaft war in den Hirschsaal gezogen, weshalb es in den Gängen der Residenz ruhiger zuging als am Vormittag. Vorbei an Hellebardenträgern kamen sie durch die Galerie, in der neben Ahnenporträts auch Vitrinen mit Elfenbeindrechselarbeiten des Herzogs standen. In den Räumen von Herzogin Elisabeth hatte Marie einmal eine neunteilige Stapeldose Maximilians in Händen gehalten mit der lateinischen Inschrift: Mentoris me credes opus Maximiliani sum Ducis Bavariae . Sinngemäß bedeutete es, dass der Betrachter wohl
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