Blut und Kupfer
eine Wallfahrt nach Loreto unternahm. Vor dem Altar der Mutter Gottes gelobte er die Ausrottung des Protestantismus in seinen Erblanden.«
Leander kam mit einem Wasserkrug und sauberen Tüchern herein. »Gewütet hat er in der Steiermark und in Kärnten! Alle protestantischen Prediger wurden ausgewiesen und Kirchen und Friedhöfe zerstört, die nicht nach der geltenden Ordnung waren. Ein grausiger fanatischer Ketzerjäger ist das, und so einer soll Böhmen regieren?«
»Ja, aber Ferdinand hat den Böhmen vor seiner Wahl die Religionsprivilegien bestätigt. Der Majestätsbrief von Rudolf hat noch Gültigkeit, soweit ich weiß«, meinte Marie.
Georg winkte müde ab. »Ach, Marie, ich glaube nicht, dass einer, der so besessen die Rekatholisierung betreibt, sich plötzlich milde gibt. Toleranz ist Ferdinands Sache nicht.«
Sie reichte ihrem Bruder die Schale mit den gepulten Erdbeeren. »Aber dann ist er doch der falsche Kandidat! Und der soll dem alten Kaiser Matthias nachfolgen? Dann wird es irgendwann zum Krieg kommen …«
»Und wenn genau das die Absicht ist?«
Leander schüttelte angewidert den Kopf. »Das Leben ist schon hart genug, wer kann da noch einen Krieg wollen?«
»Es wird passieren. Hört doch die Leute in den Gassen, wie sie gegen jeden hetzen, der etwas Gutes von den Evangelischen sagt. Die warten nur darauf, dass einer der Großen die Lunte hebt. Wie ich’s euch sage …«, unkte Georg.
»Aber Blutvergießen kann niemand wollen«, sagte Marie leise und mit wenig Überzeugung.
Sie stand auf und wusch sich die Hände. Aus der Nachbarwohnung drang Musik zu ihnen herüber. Die Hofmusiker übten. Leander hob einen Haufen schmutziger Laken vom Boden auf. »Ich gehe nach unten in die Waschküche. Soll ich noch etwas mitbringen?«
»Einen anständigen Moselwein!«, sagte Georg.
»Kaum halbwegs kregel …«, murmelte Leander kopfschüttelnd im Hinausgehen.
»Und nun erzählt mir von Eurer Hochzeit mit Tulechow!« Georg klopfte neben sich aufs Bett.
Seufzend setzte sich Marie zu ihm, nahm die Hand ihres Bruders und drückte sie sich gegen die Wange.
»Es hatte ja schon vor dem Fest den Anschein, als favorisierte Tulechow Euch. Aber dann überschlugen sich die Ereignisse, und Anselm …« Er räusperte sich. »Dass er mich nicht getötet hat, habe ich Euch zu verdanken, nicht wahr? Er war doch damals zugegen, als von Hameling Euren Gatten im Duell tötete. Ich erinnere mich, dass Tulechow das bei unserer ersten Begegnung in der Residenz erwähnte. Es hat ihm leidgetan. Er ist ein Mann von Ehre. Eine gute Wahl, Marie.«
Sie legte seine Hand auf die Bettdecke und rang sich ein Lächeln ab.
»Habe ich etwas Falsches gesagt? Ihr wollt ihn nicht? Marie, überlegt doch! Er ist reich und bietet Euch ein sorgloses Leben!«
Als sie noch immer nichts sagte, sank Georg in sein Kissen und beobachtete sie. »Was ist es?«
»Tulechow heiratet mich nur, um Gerüchten über seine Liaison mit der Gräfin von Larding den Stachel zu nehmen.«
Georg pfiff durch die Zähne. »Ei, so ist das! Tulechow hat Angst vor dem Grafen!« Er lachte. »Ja, vor dem alten Fuchs hätte ich auch Respekt. Aber das ist doch nicht verkehrt. Ein Arrangement zur beiderseitigen Zufriedenheit.«
Marie wandte den Blick zum Fenster und blinzelte eine Träne fort.
»Schwesterlein, Ihr werdet Eure Ruhe haben in dieser Ehe. Nehmt Euch einen Liebhaber und …«
»Es reicht, Georg.« Wütend sprang sie auf und ging in den Nebenraum, wo sie sich in Bischof Marbods »Lapidarium« vertiefte, das ihr Leander heimlich besorgt hatte. Sie wollte möglichst viel über Edelsteine erfahren, denn mehr denn je war sie davon überzeugt, dass Remigius einen Stein aus der Tafel holen wollte. Seit sie sich mit dem Buch beschäftigte, hatte sie Faszinierendes über verschiedene Arten von Steinen gelernt. Kristalle wuchsen in der Kälte der Gebirge, hatten eine eisige Natur, sechs Kanten, und die Glätte ihrer Seitenflächen sei so vollkommen, wie sie die Kunst nicht hervorbringen könnte. Es hieß, dass es riesige Kristalle bereits zu Zeiten der römischen Kaiserin Livia gegeben habe, die an die einhundertfünfzig Pfund gewogen hatten. Eine Legende um den Bernstein fand Marie besonders schön, die Schwestern des vom Blitz erschlagenen Phaeton sollten danach durch ihr vieles Weinen in Pappelbäume verwandelt worden sein. Ihre Tränen flossen neben dem Fluss Eridanus und schufen den Bernstein, der auch mit dem Saft der Sonnenstrahlen gleichgesetzt wurde.
Ein
Weitere Kostenlose Bücher