Blut und Kupfer
Freund meines Oheims ist Edelsteinschneider und könnte das Ausbessern übernehmen. Vielleicht, wenn Ihr ihm beratend zur Seite steht?«, schlug Marie vor.
Wilhelm betrachtete seine Finger und schnippte etwas zu Boden. »Ein Edelsteinschneider? Was soll der schon vom Stuckieren verstehen? Wenn ich mich dazu entschließen sollte, Euch zu helfen, will ich wissen, was Euer Oheim gefunden hat. Und jetzt verschwindet. Ihr habt genug Aufsehen erregt.«
Er hatte angebissen! Zufrieden verließ sie eilig den muffigen Arbeits- und Schlafraum und folgte den verführerischen Küchendüften, denn ihr Magen meldete sich inzwischen lautstark.
»Dank dir vielmals!« Marie gab der Köchin, die ihr eine Portion Grütze mit eingelegten Birnen gegeben hatte, zwei Pfennige und spazierte eine Stunde später zuversichtlich in den Brunnenhof. Wilhelm würde ihnen helfen! Fand er heraus, was das Scagliola-Motiv so malerisch aussehen ließ, konnte er womöglich seine Technik verfeinern und seinen Vater noch übertreffen. Was auch immer Remigius fand … Es musste einfach ein Edelstein sein! Was sonst sollte sich in weichem Stuck verstecken lassen und Jahre des Eingeschlossenseins unbeschadet überstehen? Vielleicht hatte jener Magnus Adam durch die Tafeln auf sich aufmerksam machen wollen. Wenn er einer jener Scharlatane gewesen war wie die Alchemisten des seligen Rudolf, dann wäre das sicher ein feiner Trick gewesen.
Sie nahm den Rosenkranz, der an ihrem Gürtel hing, und ließ die Perlen durch die Finger gleiten, während sie zusah, wie das Wasser gemächlich über den Brunnenrand plätscherte. Unwillkürlich begannen ihre Gedanken zu wandern, und sie schloss die Augen und ließ die Hand in das kühle, sanft strömende Wasser gleiten. Ihre Gebete wurden zu sehnsüchtigen Wunschträumen. »Es muss gelingen …«, murmelte sie, obwohl sie um Ruben fürchtete, der seine Rache mit einer beängstigenden Zielstrebigkeit verfolgte. Rache an jenem Mann, der ihm seine Familie, seinen Namen und seine Zukunft genommen hatte. Konnte sie ihm das verdenken? Doch Hass war eine alles verzehrende, zerstörerische Triebfeder, die nichts Gutes hervorbringen konnte.
»Frau von Langenau! Wollt Ihr uns nicht begleiten?«, beendete die scharfe Stimme der Gräfin von Larding ihre Tagträumereien.
Die Sonne hatte noch nicht ihre volle Kraft entfaltet, strahlte jedoch schon von einem Himmel, an dem wenige weiße Wolken einen trockenen Tag verhießen. Sibylle von Larding hatte sich in zartes Cremeweiß gekleidet, und ihre Wangen waren leicht gerötet. Sie hatte die Aura einer Frau, die wusste, wie man das Leben bis zur Neige auskostet, und sie wirkte auf eine ungewohnte Art gelöst. Das konnte nur an Tulechow und der Aussicht auf ungestörte Zusammenkünfte unter dem Schutz des Ehegelübdes liegen. Aber bis es so weit war, floss noch viel Wasser die Isar hinunter. Mit einem aufgesetzten Lächeln folgte Marie der Einladung.
Die Hofdamen umkreisten die Herzogin wie ein Schwarm Bienen ihre Königin. Man fächelte sich Luft zu, lachte leise, schwätzte und schwieg, sobald die melancholischen Augen Elisabeth von Lothringens auf allzu sorglos zur Schau getragene Fröhlichkeit trafen. Es drängte Marie, die schöne, traurige Herzogin an der Hand zu nehmen und mit ihr über die Wiesen an der Isar zu laufen, ohne den steifen weißen Kragen, der einem die Luft zum Atmen nahm, und ohne die strengen Blicke der Hofdamen, welche gleichsam Augen und Ohren der Kirche und ihrer Moralhüter verkörperten. Elisabeth schritt bedächtig vor ihr her und hatte sie noch nicht gesehen.
»Wohin gehen wir?«, fragte Marie die Gräfin.
»In den Hofgarten. Wir wollen dort die Herren treffen und diejenigen verabschieden, die nach Prag reisen.«
»Ihr reist nicht nach Prag? Ich dachte, eine Krönung ist ein Ereignis, das Ihr Euch nicht entgehen lassen würdet. Vor allem, wo doch Euer Liebhaber …«
»Untersteht Euch!«, fauchte die Gräfin. »Ihr seid eine mittellose Witwe ohne Aussichten, der durch die Heirat mit Herrn von Tulechow ein gesellschaftlicher Aufstieg ermöglicht wird, der auch Eurer nichtsnutzigen Familie zugutekommt. Ich bitte Euch nicht, ich befehle Euch, Diskretion zu bewahren, sonst werdet Ihr mich kennenlernen.«
»Oh, ich zittere«, meinte Marie sarkastisch, denn die dauernden Drohungen schliffen sich ab. »Meine Lage ist mir von verschiedenen Seiten bereits hinreichend verdeutlicht worden, Gräfin.«
Sibylle von Larding sah sie mit einem seltsamen Ausdruck von
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