Blut und Kupfer
der Seite an. »Vielleicht seid Ihr doch nicht die richtige Wahl gewesen.«
Die Gräfin beschleunigte ihren Schritt und hakte die vor ihnen gehende Baronin von Taunstein unter, die hektisch ihren Fächer vor dem glänzenden Gesicht bewegte, von dem die weiße Schminke bereits in den Kragen floss.
Im weitläufigen Hofgarten waren Zelte mit Erfrischungen aufgebaut, Musikanten spielten, und eine Meute kleiner Hunde tobte durch die Beete. Wahrscheinlich hatten die meisten der anwesenden Höflinge, den Herzog und seine Frau eingeschlossen, noch nicht gefrühstückt. Ein Harlekin tanzte mit bimmelnden Glöckchen an ihnen vorbei und streckte ihr frech die Zunge heraus.
»Gauklerpack! Man weiß nie, ob sie einem nicht heimlich die Perlen vom Kleid schneiden!«, hörte Marie die Baronin schimpfen.
Die rotweiße Hose mit den goldenen Fransen hatte sie doch schon gesehen? Sie brauchte nur dem leisen Klingeln zu folgen und traf den Komödianten neben einem Zelt, wo er sich ein Hühnerbein vom Buffet stahl und in einer der vielen Taschen seiner Pluderhosen verschwinden ließ.
»Hungrig, Arlecchino ?«, sprach Marie ihn von hinten an.
Sofort sprang der Mann herum, machte einige tapsige Bewegungen und verzog den rot ummalten Mund in dem weiß geschminkten Gesicht.
»Du bist der Pantalone. Komm schon, was tust du hier? Hat Ruben dich geschickt?«
»Madonna, Ihr solltet nicht mit mir sprechen. Lacht, wenn ich meine Faxen mache, damit sie denken, dass ich Euch amüsiere«, sagte Bertuccio, denn um niemand anderen handelte es sich.
Marie schlug die Hände zusammen und lachte, während Bertuccio abwechselnd ein Bein hob und die Glöckchen schüttelte. Die Hofgesellschaft verstreute sich gemächlich zwischen den Zelten, den farbenprächtigen Blumenbeeten, Limonenbäumen und Hecken.
Der rote Mund grinste, doch Bertuccios Augen hielten ihren Blick fest. »Ich kenne Ruben seit vielen Jahren. Er ist ein guter Mann. Man hat ihm großes Unrecht getan, aber jetzt sind wir dem Mörder seines Vaters auf der Spur.« Er sprach mit starkem italienischem Akzent. »Ich bin mir sogar sicher, dass er hier ist. Einer von den grauhaarigen Eminenzen dort drüben.«
Verstohlen sah Marie zu den Herren, die sich um den Herzog geschart hatten: Hofkanzler Wagnereck, Mändl, Graf von Larding, Hofkammerrat Widmann, drei Jesuitenpatres, darunter der Poet Jeremias Drexel und der Generalobere Vitelleschi, und schließlich Tulechow und Zeiner nebst anderen, die Marie nicht namentlich kannte. »Welcher?«
Der Harlekin wackelte mit dem Kopf und schüttelte seine Glöckchen. »Müsst Ihr nicht wissen, schönes Kind.«
Zwei Damen und ein Herr spazierten kichernd Richtung Zelt, und Bertuccio bewegte sich geziert auf die Musikanten zu. »Ich bin hier, um zu unterhalten, Madonna.«
»Wo ist Ruben jetzt? Er bringt sich doch nicht in Gefahr?«, fragte Marie und folgte dem Komödianten.
Lachend warf Bertuccio ein buntes Tuch in die Luft, fing es auf, schwenkte es wie eine Fahne und vollführte tänzerische Bewegungen, die sie dem kräftigen Mann mittleren Alters nicht zugetraut hatte. Plötzlich raunte er ihr ins Ohr: »Ruben sucht im Haus des Verdächtigen nach Beweisen.«
Dieben schlug man die Hände ab oder hängte sie auf, ging es Marie durch den Kopf.
»Was sollen denn die Leute denken!« Bertuccio tippte auf ihre Mundwinkel, und Marie entrang sich ein gequältes Lachen.
»Macht Euch keine Sorgen. Er weiß, was er tut.« Mit diesen wenig beruhigenden Worten tänzelte Bertuccio zwischen den Musikern hindurch.
Und das aus dem Mund eines Komödianten und Gauners! Mit diesem Bertuccio hatte Ruben gefälschte Kunstobjekte vertrieben und von ihm wahrscheinlich auch andere zweifelhafte Fähigkeiten erlernt. Aber konnte sie ihm das verübeln? Welche Möglichkeiten blieben einem verwaisten Kind, das sich plötzlich allein durchschlagen musste?
»Die Wahl ist noch nicht einmal amtlich, und eine Delegation wird schon zu den Krönungsfeierlichkeiten entsandt«, sagte ein Hofbeamter, der zwei Fuß entfernt von ihr an der Seite eines Grauhaarigen vor die Musiker getreten war. Der gezwirbelte Schnauzbart des Geheimrats war unverkennbar, und Zeiner antwortete: »Da wundert Er sich? Nachdem der Oñate-Vertrag unterzeichnet war, stand der Kandidat fest. Wo ist denn unser lieber Freund Tulechow? Der hatte nämlich ganz kräftig die Finger im Spiel, genau wie der Graf …«
Zeiners Blick glitt suchend über die Anwesenden. Marie hielt ebenfalls Ausschau und registrierte
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