Blut und Kupfer
die Abwesenheit der Gräfin von Larding, die eben noch an der Seite der drallen Baronin gestanden hatte. Das konnte nur bedeuten, dass sich das heimliche Liebespaar privat verabschiedete. Wie riskant! Aber genau darin lag wohl der Reiz von Tulechows Liaison mit der Frau seines Freundes. Die Musiker stimmten ein Menuett an, die Herzogin erblickte sie und schenkte ihr ein Lächeln, das Marie voller Herzlichkeit erwiderte. Sie gesellte sich zu den Damen. Nach einer Zeit unbeschwerten Vergnügens räusperte sich der Hofkanzler und kündigte den Beginn des offiziellen Teils an.
Marie reihte sich hinter den anderen Hofdamen ein und beobachtete die Herren, die sich ebenfalls sammelten, um den Worten von Kanzler und Herzog zu lauschen. Alle Anwesenden wandten sich in höflicher und ehrerbietiger Aufmerksamkeit dem Herrscherpaar zu, doch Marie bemerkte, wie Graf von Lardings Miene versteinerte und seine Augen einen Punkt fixierten, der sich hinter dem Kanzler befand. Zuerst erschien Tulechow mit einem entspannten Lächeln. Seine Verletzung war ihm nicht mehr anzumerken. Mit geschmeidigen Bewegungen strich er sich durch das dichte Haar, zwinkerte den Damen zu und stellte sich neben Zeiner. Und dann sah Marie, wie Sibylle Larding hinter dem Zelt hervortrat und sich wie selbstverständlich zu den Damen stellte. Am Rock der Gräfin hatte sich eine weiße Blütenrispe verfangen, die sie abstreifte.
Graf von Larding beobachtete seine Gattin mit Argusaugen, und zum ersten Mal bekam Marie eine Ahnung davon, welche Leidenschaft sich hinter der kühlen Fassade von Herzog Maximilians engem Berater verbarg. Sie wandte sich wieder der Gräfin zu, die mit ihrem Fächer spielte und nicht bemerkte, wie ihr Gatte sie unverwandt anstarrte. Maries Nackenhaare sträubten sich in Erwartung kommenden Unheils, das sich vor ihren Augen zusammenbraute, und sie ließ angespannt die hölzernen Perlen ihres Rosenkranzes durch die Finger gleiten.
XXIX
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Überraschender Besuch aus Kraiberg
Einen vorzüglichen Rang nehmen die Karfunkel ein, welche nach der Ähnlichkeit mit dem Feuer benannt sind, während sie selbst davon nicht angegriffen werden und deshalb auch von einigen den Namen »Unverbrennliche« bekommen haben.
Caius Plinius Secundus, »Naturgeschichte«,
XXXVII. Buch, »Von den Edelsteinen«
A m sechsten Juni 1617 wurde Ferdinand von der Steiermark als König von Böhmen angenommen. Die Krönung sollte dreizehn Tage später im Veitsdom von Prag erfolgen.
»Tulechow und Graf von Larding begleiten die Delegation des Herzogs, und ich sage Euch, sie wussten ganz genau, dass der böhmische Landtag seine Zustimmung zur Königswahl geben würde.« Marie saß an Georgs Bett und säuberte Erdbeeren. Die Früchte waren klein und schmeckten köstlich.
Da Georg sich zusehends erholte, hatte Doktor Zacharias keine Einwände gegen seine Verlegung in häusliche Umgebung gehabt. Die Fenster waren weit geöffnet, und Georg lag blass in den Kissen seines Bettes, doch seine Augen hatten ihr Strahlen zurückgewonnen. »Iss sie nicht alle allein!« Georg hielt ihr seine offene Hand hin, und Marie legte ihm eine tiefrote Erdbeere hinein, die er zuerst an die Nase führte. »Wie gut sie duften. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich je wieder daran erfreuen würde.« Genüsslich ließ er die Frucht im Mund zergehen.
Marie lächelte. Dank der Gunst der Herzogin hatte sie die Erlaubnis erhalten, ihren kranken Bruder zu besuchen. Seit jenem Morgen im Hofgarten hatte sie weder Bertuccio noch Ruben gesehen und wusste nur, dass Albrecht jederzeit mit der Tafel in München zu erwarten war.
»Was lächelt Ihr so zufrieden, Schwesterlein?«, fragte Georg und berührte sacht ihre Hand.
»Ich freue mich, dass Eure Genesung so große Fortschritte macht. Anfangs wollte ich Doktor Zacharias’ Versprechungen keinen Glauben schenken.«
»Unkraut vergeht nicht. Aber was sagtet Ihr eben über Tulechow und Larding? Sie wussten, dass Ferdinand König wird?«
Marie nickte und erzählte von dem Gespräch der drei Männer, die sie am Pegasustempel belauscht hatte.
Georg tastete nach der verkrusteten Wunde an seiner Wange, die ihn noch an allzu intensiver Mimik hinderte. »Ferdinand muss den Böhmen ein Dorn im Auge sein! Es wundert mich, dass nur Graf Thurn seine Stimme laut gegen den Habsburger erhoben hat. Aufgezogen wurde Ferdinand in Ingolstadt von Jesuiten, die ihm einen solch unversöhnlichen Hass gegen den Protestantismus eingeflößt haben, dass er 1598
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