Blut und Kupfer
meinte Ruben schmunzelnd, als er den Karfunkel auf den Tisch legte.
»Vielleicht habe ich einfach nur zu viele Betrüger kennengelernt und zu viele Geschichten über die Scharlatane an Kaiser Rudolfs Hof gehört«, sagte sie und neigte kokett den Kopf zur Seite. »Mein verstorbener Gatte war ein Spieler, bei uns trieben sich die undurchsichtigsten Gestalten herum, in deren Taschen naturgemäß bodenlose Löcher waren, aber …« Marie lächelte. »Sie waren amüsant.«
Als die Kirchenglocken von Sankt Elisabeth siebenmal schlugen, sprang Marie auf. »Ich muss zurück ins Kloster!« Sie strich dem abwesend wirkenden Remigius über die Stirn. »Oheim, habt Ihr die Tafel nun mitgebracht? Wird es schwierig sein, sie zu reparieren? Und was soll ich Wilhelm Fistulator sagen?«
Remigius kratzte sich den weißen Schopf. »Sie ist in der Truhe. Albrecht hätte mir fast den Kopf abgerissen, nachdem er gesehen hatte, was ich getan habe. Holt sie nur heraus, Ruben.«
Als Ruben wenig später mit der verschnürten Tafel durch die Verbindungstür trat, schaute Marie nach Els, die dabei war, ihre winzige Kammer auf ungebetene Mitbewohner zu untersuchen.
»Ich verabscheue Wanzen. Vielleicht mögen sie diese Kräuter hier nicht.« Die Dienerin verstreute entlang der grob verputzten Wände eine herb riechende Mischung getrockneter Kräuter. Mit ihrer ins Gesicht gezogenen Haarsträhne fügte Els leise hinzu: »Mit dem Herrn geht es zu Ende. Er hat zu mir gesagt, dass er das Gut mit den Füßen voran wiedersehen wird. Bevor wir so plötzlich abgereist sind, kam ein Brief, der den Herrn sehr aufgeregt hat. Danach ging es ihm gar nicht gut.«
»Danke, Els. Es ist ein Segen, dass du in dieser schweren Zeit bei meinem Oheim bist.« Ein Brief! Marie schloss die Zwischentür und stolperte erschrocken gegen die Wand, als sie die Tafel auf einem Stuhl neben dem Fenster sah. »Heiliger Hieronymus!«
Der Pietra-Dura-Rahmen war unversehrt, aber in der Scagliola-Tafel prangte dort, wo der zweiköpfige Rebis seinen Spiegel hielt, ein hässliches Loch. Unerschüttert saß Remigius vor der beschädigten Tafel. »Dass ich nicht sofort darauf gekommen bin, ärgert mich. Der Spiegel, Spiegel der Seele, des Geistes – nur dahinter hätte ein Genius wie Ficinus den Stein versteckt.«
»Und in den übrigen Tafeln sind ebenfalls Edelsteine verborgen?«, fragte Marie und fuhr mit den Fingern über die rauen Kanten des Stuckmarmors.
»Das Tagebuch von Mazzei war nur eine Finte, der einzige Fingerzeig, dass es diese Tafeln gibt, vielleicht bewusst von Ficinus inszeniert. Er war bereits als Häretiker angeklagt und hätte sich weitere Verdächtigungen als Magier nicht leisten können. Man hätte ihn ohne Zweifel hingerichtet und vorher gefoltert, um sich sein Wissen anzueignen.« Remigius hustete und rieb sich den Mund mit einem Tuch ab, doch an seinem Bart verriet ein roter Tropfen den Grad seiner Erkrankung. »Ich glaube, dass die anderen Scagliola-Bilder Augenwischerei sind. Ruben hat es entdeckt. Er hat die anderen Tafeln als Einziger gesehen. Die Pietra-Dura-Rahmen sind nicht identisch!«
In Gedanken sah Marie die Mutter Oberin bereits den Geheimrat benachrichtigen, aber wie konnte sie jetzt gehen? »Was bedeutet das?«
»Nun, wir stehen noch am Anfang, und ich hatte keine Zeit für lange Untersuchungen«, begann Ruben. »Aber während ich mit Pater Ignatius sprach und wir die Tafel in der Villa Riem betrachteten, fiel mir auf, dass einige florale Ornamente im Rahmen aus Edelsteinintarsien gar nicht wie Blumen, sondern wie Tierköpfe aussahen. Eigentlich hat Ignatius mich darauf gestoßen. Er sagte, dass da jemand einen merkwürdigen Sinn für Humor gehabt haben müsse, weil die gelben Blüten wie Löwenköpfe aussahen und eine Korallenblüte wie ein Widder. Ich berichtete Remigius davon, als ich ihn in Kraiberg aufsuchte, und gemeinsam entwickelten wir die Theorie, dass hier Sternbilder dargestellt wurden. Aus dem Gedächtnis habe ich versucht, eine Skizze zu machen. Die Blütenstängel und einige scheinbar rein dekorative kreisrunde Perlmutteinlagen – kleinen Knöpfen ähnlich – ergaben grob die Umrisse von Tierkreiszeichen, wie wir sie aus der Astronomie kennen.«
»Ficinus war ein großer Gelehrter. Was, wenn er herausgefunden hat, dass dieser Karfunkel sich bei einer bestimmten Sternenkonstellation in den Lapis verwandelt?« Remigius’ Stimme war nurmehr ein heiseres Flüstern.
»Warum hat er es nicht selbst versucht? Wäre er dann
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