Blut und Kupfer
erwartet.
Ihr Oheim legte den glimmenden Stein, der das Licht zu speichern schien, auf die königsblaue Seide. »Der carbunculus ist an sich schon von großem Wert. Er kommt in Legenden vor, wo Berggeister ihn hüten. Die Menschen müssen verschiedene Prüfungen bestehen und sich als moralisch standhaft erweisen, um in den Besitz des sagenhaften Steines zu kommen. Und wer ihn endlich besaß, so überliefern es die Alten, dem verlieh der Stein Segen, Reichtum und Weisheit. Vom Granat heißt es, ein einziger hätte Noahs Arche erleuchtet.« Remigius senkte seine Stimme zu einem rauen Flüstern. »Plinius unterscheidet verschiedene Karfunkel, benennt sie nach Herkunft, so die indischen Lygnizonten, weiter charchedonische und albandische. Doch erst die in einem carbunculus verborgenen Kräfte machen ihn zu einem kostbaren Schatz, dem nur der Lapis philosophorum gleichkommt.«
XXX
• •
Remigius’ Entdeckung
Ihre Arten (die Arten der Karfunkel) sind: der indische, garamantische, welcher auch wegen des Reichtums des großen Carthago daran der charchedonische heißt, der äthiopische und albandische, welcher zu Orthosia in Carien vorkommt, aber von den Alabandern bearbeitet wird.
Caius Plinius Secundus, »Naturgeschichte«,
XXXVII. Buch, »Von den Edelsteinen«
D ann ging es doch um Alchemie! Ihr habt mich angelogen, Oheim! Und jetzt? Wie lange, glaubt Ihr, könnt Ihr Euch am Anblick dieses Steins erfreuen? Der Mörder wartet doch nur darauf, ihn Euch abzujagen!« Es läutete zur halben Stunde, und Marie sah nervös zu Ruben. »Und du hast es natürlich auch gewusst.«
»Marie, du musst verstehen, dass es mir nicht in erster Linie um die Tafeln geht, sondern um Sallovinus’ Mörder und …« Er schwieg.
»Rache«, sagte sie bitter.
»Hört mir zu und stellt Gefühle für einen Augenblick zurück«, bat Remigius sie. »Ich habe nicht mehr viel Zeit, und ich möchte mit dem Wissen von dieser Welt scheiden, das Geheimnis von da Pescias Tafeln gelöst zu haben.«
»Aber da liegt es doch«, sagte Marie vorwurfsvoller als beabsichtigt und mit einem Anflug von Geringschätzung.
»Ihr habt nicht zugehört, Marie«, tadelte Remigius milde. »Das dort ist ein Karfunkel, einer der ausgewogensten und feurigsten seiner Art, aber er wird uns sein Geheimnis nicht preisgeben, solange wir die anderen Tafeln nicht haben. Wie mit dem Stein zu verfahren ist, liegt verschlüsselt in den Tafeln. Es ist ein Mosaik, das zusammengesetzt und dann gelesen werden muss.«
»Darf ich Euch daran erinnern, dass bisher alle Besitzer einer Tafel ihr Leben lassen mussten? Abgesehen von Tulechow und Euch. Aber dann wäre da noch Jais, der durchtriebene Diener meines zukünftigen Gatten, ach ja, und Gisla!« Ihre Stimme troff vor Sarkasmus. Doch dann erschrak sie, als sie Remigius’ verwirrten Blick bemerkte.
»Natürlich, Ihr könnt das ja nicht wissen. Gisla, das heißt Yolande, wurde im Klostergarten erdrosselt. Wir waren zugegen, als Herzog Maximilian und seine Gesellschaft den Kreuzgang des Ridlerklosters mit ihrer Gegenwart beehrten. Gisla hat unter den Herren einen erkannt, von dem sie dachte, dass es dieser Charvat wäre, der sie damals in Prag fast umgebracht hätte.« Marie stockte.
»Charvat! Grausame Kreatur. Er soll hier sein?«, grübelte Remigius.
Nachdenklich sagte Ruben: »Und wenn er und Jais nun ein und dieselbe Person sind? Ich bin mir sicher, dass es Jais war, der Sallovinus getötet und die Stiche gestohlen hat.«
»Tulechow ist sein Herr, Ruben.« Voller Furcht starrte sie auf den Stein. »Vielleicht ist das alles von langer Hand geplant, und er hat nur darauf gewartet, dass Remigius den Karfunkel mitsamt dem Geheimnis findet. Was ist es, Oheim? Was muss noch getan werden?«
»Charvat ist der Einzige, der mit uns in Prag war. Er kannte Yolande, Melchior und Bernardus und kann durchaus eines unserer Gespräche belauscht haben. Mein Gott!« Der alte Mann erbleichte und sackte in seinem Stuhl zusammen. »Beschreibt mir diesen Jais!«
Es fiel Ruben und Marie gleichermaßen schwer, ein Bild des unscheinbaren Dieners zu zeichnen. Einig waren sie sich über seine Präsenz, die weit über die eines Dienstboten hinausging.
»Ein intelligenter Mann in mittleren Jahren, sehnig, geübt im Umgang mit Waffen und mit einer bedrohlichen Ausstrahlung. Das könnte durchaus Charvat sein, ich müsste ihn sehen, um sicherzugehen. Aber Charvat hat einen Herrn … Und wenn Jais der Diener zweier Herren ist?«
Ein bedrückendes
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