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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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Remigius und zupfte an seinem Bart.
    »Ich hätte nicht noch einmal in die Werkstatt gehen dürfen, aber wie konnte ich denn ahnen, was geschehen würde?« Andächtig strich Ruben über das Bild in der Mitte der Tafel. »Er hat nur gesagt, dass die Tafeln außergewöhnlich seien. Aber dieses Scagliola-Bild ist von einer Kunstfertigkeit, wie ich sie noch nicht gesehen habe, und das Motiv ist einzigartig!«
    Das ovale Bild zeigte einen geflügelten Mann mit zwei Köpfen, wie Marie erst jetzt erkannte. Er stand in einer arkadischen Landschaft und hielt in einer Hand einen Spiegel und in der anderen ein Ei.
    »Zwei Köpfe? Ein Ei und ein Spiegel? Was bedeutet das?«, fragte Marie.
    Remigius, dessen Gesicht wieder etwas Farbe angenommen hatte, deklamierte: »Der Rebis ist der Kunst zween Körper, da wären Sonne und Mond, Mann und Weib, und die gebären vier Kinder …«
    Weiter kam er nicht, denn Aras sprang mit gesträubten Nackenhaaren knurrend auf. Stimmen ertönten, die Eingangstür wurde aufgestoßen, und energische Schritte kamen die Treppe herauf.
    »Habt Ihr denn nicht hinter Euch zugesperrt?«, schimpfte Remigius.
    Ruben warf ein Tuch über die Tafel und wickelte sie notdürftig ein. Während er sie vom Stuhl nahm und neben den Schrank stellte, hörten sie die Schritte bereits auf der Treppe. Atemlos schaute Marie zu, wie Ruben den Stuhl vor die Tafel schob.
    »Setzt Euch hier …«, doch weiter kam Ruben nicht.
    Herzog Maximilian von Bayern betrat mit seinem Gefolge den Raum, und Marie packte ihren knurrenden Hund gerade noch rechtzeitig am Halsband.
    »Hier versteckt Er sich. Hoffentlich nicht vor mir!« Der Herrscher lachte ohne Wärme und sah sich besitzergreifend um.
    Marie sah Maximilian von Bayern zum ersten Mal aus der Nähe und war überrascht, wie klein und mager der angesehene und gefürchtete Regent war. Seine edle Jagdkleidung konnte nicht über seinen schmächtigen Körperbau hinwegtäuschen, und auch der schräg sitzende Hut verschönte weder das mausgraue Haar noch das fettig glänzende Gesicht mit der langen, höckrigen Nase, deren Spitze über den Schnurrbart ragte. Es war jedoch nicht die wenig anziehende äußere Erscheinung, die Marie abstieß, sondern die kühle Berechnung, die aus seinem Blick sprach. Dieser Mann kennt keine Freunde, dachte Marie, sondern nur Menschen, die ihm von Nutzen sind.
    Remigius hielt sich mit einer Hand am Tisch fest und verneigte sich mit zitternden Knien, wobei Marie sich fragte, ob der alte Fuchs seine Gebrechlichkeit nicht bewusst übertrieb. »Eure Durchlaucht beschämen unser ärmliches Heim mit Eurem Besuch.«
    »Ärmlich? Ich sehe, Er hortet Schätze!« Die Stimme des Herzogs war auf unangenehme Weise schrill.
    Marie drängte sich neben Ruben an den Schrank und versuchte, die Tafel mit dem Fuß noch weiter nach hinten zu schieben, doch sie bewegte sich nicht.
    »Ach, das sind nur Spielereien eines alten Mannes, Euer Durchlaucht«, versuchte Remigius den neugierigen Herrscher abzulenken, doch Maximilian inspizierte die Regale und Bücher gründlich und mit Kennermiene. Von Ruben und Marie nahm er keine Notiz.
    »Meine Nichte, Euer Durchlaucht. Die verwitwete Marie von Langenau«, sagte Remigius und sog scharf die Luft ein, als der Herzog den Bezoar in die Hand nahm.
    Marie machte einen Hofknicks und wartete darauf, dass der Herzog etwas sagte, doch der nickte nur und wog den Bezoar in seinen Händen. »Der ist exzellent. Groß und schön geformt. Wie viel verlangt Er dafür?«
    Bevor Remigius den Mund öffnen konnte, sagte Marie: »Der ist unverkäuflich. Er hat meinem Vater gehört!«
    Die intelligenten Augen des Herzogs musterten sie mit einer Mischung aus Verwunderung und amüsierter Zurechtweisung. »Sie ist die Besitzerin des Kleinods?«
    Auf der Treppe und im Eingang drängten sich Gefolgsleute des Herzogs, die das Geschehen tuschelnd beobachteten. Marie senkte beschämt den Blick. »Nein«, flüsterte sie.
    Ruben, der dicht neben ihr stand, half ihr, sich zu erheben, und drückte ihr sanft die Hand.
    »Und wer ist Er?«, wollte Maximilian mit inquisitorischem Blick auf Ruben wissen.
    »Ein Steinschneider auf der Durchreise, Durchlaucht«, erklärte Ruben schlicht.
    Herzog Maximilian von Bayern stellte den Bezoar zurück auf den Tisch und machte eine herrische Bewegung, die Ruben und Marie zur Seite scheuchte. Zielstrebig kam er um den Tisch herum und beäugte die Regale neben dem Schrank. In der Enge des Raumes stieß er gegen den Stuhl, der vor der

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