Blut und Kupfer
Einhard zu sprechen. Als Anton vor ihr stand, versicherte sie ihm: »Ich habe es nicht vergessen und werde mir Einhard noch vornehmen. Verlass dich darauf, Anton.«
Das sorgenvolle Gesicht des Pächters entspannte sich ein wenig. »Auf ewig dankbar wäre ich Euch! Es wird immer schlimmer. Heute früh lagen abgehackte Krähenfüße auf unserer Türschwelle. Meine Frau hält das bald nicht mehr aus.«
»Hast du keine Arbeit? Was belästigst du die Frau von Langenau?«, herrschte Albrecht, der unversehens heruntergekommen war, seinen Pächter von der Treppe aus an. »Kommt ins Haus, Marie. Was soll das Gesinde von Euch denken, wenn Ihr Euch mit ihnen gemeinmacht?«
»Aber das …« Sie schluckte ihre Widerworte wieder herunter, als sie Albrechts gerötetes Gesicht sah. Er hatte getrunken und war schlechter Stimmung.
Anton drückte sich den Hut auf den Kopf, murmelte noch eine Entschuldigung und stapfte davon. Auf Albrechts Arm gestützt, folgte sie ihrem Bruder ins Haus. In der Eingangshalle stieß er ihre Hand zur Seite und musterte sie verärgert von oben bis unten. »Wo habt Ihr Euch herumgetrieben? Ihr bringt Euch und uns ins Gerede! Und was wollte mein Pächter von Euch?«
Aras’ Krallen tappten über die Steinfliesen. Die Nähe ihres Hundes gab ihr Sicherheit, und sie bemühte sich um einen freundlichen Tonfall. »Ich bringe unsere Familie ganz sicher nicht ins Gerede!« Die Betonung lag auf dem ersten Wort und war Albrecht nicht entgangen, dessen Miene etwas milder wurde.
»Der Pächter heißt Anton«, fuhr Marie fort. »Und ich kenne ihn seit meiner Kindheit. Ich habe ihm vor kurzem Heilkräuter für seine kranke Frau gegeben, weil Ihr ihm zu wenig zum Überleben lasst! Die Ernte war schlecht, die Tiere sind viel zu mager, und Ihr presst den Leuten den letzten Groschen ab!«
»Haltet Euch aus meinen Angelegenheiten heraus, Marie! Die Zeit unserer Kindertage gehört der Vergangenheit an.« Ihr Bruder schwitzte leicht, und seine Hände zitterten. Er leckte sich die Lippen, als könne er es nicht abwarten, den nächsten Becher Wein hinunterzustürzen.
Ihre Miene schien diesen Gedanken widerzuspiegeln. »Was starrt Ihr mich an? Ihr seid weder meine Mutter noch meine Frau!« Unwillkürlich glitt sein Blick die Treppe hinauf, wo Kindergeschrei und das Keifen der Gutsherrin zu hören waren.
»Albrecht«, sagte Marie versöhnlich. Sie stand so, dass sie die Bibliothekstür im Blick hatte, die langsam von Pater Hauchegger geöffnet wurde. Der Geistliche mit der markanten Nase bewegte sich mit einer unheimlichen Lautlosigkeit, von der Marie glaubte, dass sie zur Ausbildung der Jesuitenpatres gehörte, um ihnen das Bespitzeln ihrer Schäflein zu erleichtern.
»Gottes Segen«, grüßte der Pater, deutete ein Kreuzzeichen an und wollte an ihnen vorbeigehen.
Albrechts Miene verfinsterte sich. »Wohin so eilig?«
»Eure Gattin bedarf meiner. Wir wollen vor dem Mittagsmahl noch eine geistliche Übung exerzieren, und mit Euch muss ich noch über die Schule im Dorf sprechen«, erklärte Hauchegger geduldig.
Erleichtert, dass der Pater ihren Bruder ablenkte, schüttelte Marie ihren von Nässe und Dreck schweren Rock, murmelte eine Entschuldigung und ging auf ihr Zimmer.
Noch Tage später brannten der herzogliche Überraschungsbesuch und seine Folgen Marie auf der Seele. Sie war auf dem Weg durch die Halle, als die Haustür aufschwang und ein junger Bursche zwei versiegelte Briefe hereinbrachte.
»Für mich?«, fragte sie neugierig.
»Dieser ist für den Herrn Remigius von Kraiberg, hat der Bote gesagt.« Der Bursche starrte ehrfürchtig auf das herzogliche Siegel. »Aus der Residenz!«, fügte er wichtigtuerisch hinzu.
Bevor Albrecht, der aus der Bibliothek getreten war, dem Burschen den Brief aus der Hand nehmen konnte, riss Marie das Schreiben an sich. »Ich bringe es selbst dem Oheim, muss ohnehin mit ihm sprechen.«
»Marie!«, brüllte Albrecht, doch sie rannte bereits die Stufen hinauf.
Atemlos stand sie kurz darauf vor der Tür zum Turm und hämmerte gegen die massiven Eichenbohlen. »Oheim, ich bin es, Marie! Bitte, es ist wichtig!«
Aras bellte aufgeregt und kratzte an der Tür, und tatsächlich dauerte es nicht allzu lange, und Remigius zeigte sein mürrisches Gesicht.
»Was wollt Ihr? Als hättet Ihr nicht genug angerichtet …« Seine blinzelnden Augen erspähten den Brief. »Gebt her!«
Die knochigen Finger schossen nach vorn, doch Marie brachte das Schreiben außer Reichweite. »Ich bitte Euch,
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