Blut und Kupfer
angefangen bei seiner unbeugsamen Moralität, die bis zur Selbstkasteiung führte, über seine unnachgiebige Verfolgung selbst nichtiger Missetäter bis hin zu dem Erlassen von Gesetzen, die in privateste Angelegenheiten eingriffen, ergab zusammen mit der unerfreulichen Begegnung das Bild eines unerbittlichen und hartherzigen Mannes. Einem alten Mann seine liebsten Kunstwerke fortzunehmen war gefühllos und egoistisch. Der Herzog hatte sich in keinster Weise nach den Lebensumständen ihres Oheims erkundigt, sondern nur nach der Befriedigung seiner Sammlerleidenschaft getrachtet. Und zu allem Unglück war es ihre Schuld, dass ihr Oheim nun seine kostbare Tafel verlieren sollte! Sie konnte Remigius nicht verdenken, dass er wütend auf sie war.
Aras bellte und rannte schwanzwedelnd um die Hölzer, die lose aneinandergestellt waren und bereits bedenklich schwankten. Ein fetter grauer Körper quetschte sich unter einem morschen Brett hervor. Die Hofhunde stürzten sich nun jaulend auf die Beute, die Aras ihnen großzügig überließ. Marie betrachtete den Schaden an ihrem Kleid. »Ruiniert!«
Aus dem Pferdestall war das Klappern von Hufen zu hören, und Marie ließ den Rocksaum resigniert in den Dreck sinken. Der Böhme wollte heute ebenfalls abreisen, und wenn sie ehrlich war, hatte sie sich hier draußen in der Hoffnung herumgedrückt, ihm noch einmal zu begegnen.
Ruben Sandracce führte seinen Grauschimmel in den Hof und klopfte dem müde wirkenden Tier auf den Hals. »Ich werde ihn in München verkaufen.«
»Ihr geht also nach München? Habt Ihr keine Angst, dass man Euch verhaftet?«
»Niemand kennt mich hier. Nein, das ist der einzig mögliche Ansatzpunkt, um mehr über die Tafeln zu erfahren. Euer Onkel hat mich darauf gebracht und …« Er unterbrach sich und warf den Umhang, den er über dem Arm trug, vor dem Sattel über den Pferderücken.
»Hätte ich doch nur die Tür verriegelt! Jetzt will der Herzog die Tafel für sich!«, sagte Marie zerknirscht.
Ruben Sandracce hob die Schultern. »Das war Schicksal. Wenn ich gewusst hätte, was Bernardus drohte, glaubt Ihr, ich wäre noch einmal fortgegangen? Acqua passata non macina più .«
»Was bedeutet das?«
»Wasser, das vorübergeflossen ist, mahlt nicht mehr«, sagte Ruben mit einem tröstlichen Lächeln.
»Schöne Worte, aber nein, ich habe einen Fehler gemacht, ich war nachlässig! Dass der Herzog es auch so eilig mit seinem Besuch beim Oheim haben musste …« Sie strich dem Pferd, das ihr den Kopf entgegenreckte, über die weichen Nüstern. »Er hat ein Gnadenbrot verdient. Lasst ihn nicht schlachten.«
»Ihr habt ein zu weiches Herz für diese harte Welt, Frau von Langenau.« Es klang nicht so, als wollte er ihr damit schmeicheln.
»Das ist uns Frauen wohl so eigen.«
»Nur der Zierde Eures Geschlechts.«
Auch das war eine nüchterne Feststellung, und dennoch senkte Marie den Blick. »Darf ich nach Euren Plänen für München fragen? Werdet Ihr meinem Oheim Nachricht geben, wenn Eure Nachforschungen erfolgreich sind?«
»Das werde ich. Und Ihr solltet nach Möglichkeit mit niemandem über die Tafel sprechen«, ermahnte der Böhme sie.
Bitterkeit sprach aus ihrer Stimme, als sie sagte: »Ich habe bereits genug angerichtet! Das herzogliche Auge hat sie erblickt!«
»Aber er hält die Tafel für einen gewöhnlichen Prunktisch. Alchemie ist nicht sein Steckenpferd, ganz im Gegenteil, er verurteilt diese Wissenschaft als schwarze Kunst und hat in der Eile sicher nicht erkannt, dass es sich um ein alchemistisches Bildmotiv handelt.« Er sah zum Himmel, an dem sich dunkle Wolken ballten.
»Es wird Regen geben. Ich halte Euch auf.« Marie tätschelte ein letztes Mal den Grauschimmel und trat zurück.
»Gott schütze Euch!« Ruben Sandracce saß auf, und der Grauschimmel trottete durch den Morast auf das Tor zu.
Marie sah Pferd und Reiter so lange nach, bis sie das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Energisch hob sie das Kinn, suchte nach einer würdevollen Haltung und setzte einen Fuß auf die glitschige Bohle.
»Euer Hochwohlgeboren! Frau von Langenau, bitte, auf ein Wort!«
Sie erkannte den Pächter Anton, der mit sorgenvoller Miene über den Hof kam und winkte.
Im ersten Stock des Gutshauses wurde ein Fenster geöffnet. »Was ist da unten los, Marie? Kommt endlich herein. Ihr holt Euch noch den Tod!«, rief Albrecht.
Marie dachte an die abgemagerte, kränkliche Pächterfrau und nahm sich vor, so bald wie möglich mit dem boshaften
Weitere Kostenlose Bücher