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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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Oheim, seid mir nicht länger gram. Der Herzog hätte Euch in jedem Fall aufgesucht.«
    »Aber dann hätte ich die Scagliola-Tafel besser vor seinen gierigen Augen verborgen! Kommt der Brief aus der Residenz?«
    Sie nickte.
    Remigius drehte sich um und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Dann kann ich Euch sagen, was drinnen steht.«
    Da er die Tür nicht verschloss, sondern in seinen Bart murmelnd im Halbdunkel des Turmes verschwand, nahm sie es als Aufforderung, ihm zu folgen, und schlüpfte mit Aras durch den Türspalt.
    »Ging schneller, als ich dachte«, spöttelte Kraiberg, den sie auf dem Treppenabsatz vor dem Kuriositätenkabinett einholte.
    Ein ranziger Geruch ging von dem alten Mann aus, und Marie, deren eigenes Kleid auch nicht eben sauber war, bemerkte nun auch sein schmutziges Hemd und die noch vom Schlaf am Kopf klebenden Haare. »Wie geht es Euch?«
    Remigius hustete und stützte sich an einem der Regale ab. Die Scagliola-Tafel war nirgends zu sehen. »Na los, öffnet den Brief. Irgendein Sekretär, nein, wahrscheinlich ein Hofrat, wird mir im Namen Seiner Durchlaucht ein großzügiges Angebot für die Tafel machen.« Hustend griff er nach einem Becher, streute Kräuter aus einer Schale hinein und schwenkte das Gefäß hin und her.
    Das dunkelrote herzogliche Siegel mit dem gevierten Wappen zerbrach mit leisem Knacken, und Marie entfaltete den Bogen aus kostbarem, dickem Papier. »Im Namen Seiner Durchlauchtigsten Hoheit von Gottes Gnaden, Maximilian Pfalzgraf bei Rhein, Herzog in Obern- und Niedern-Bayern …«, las Marie laut.
    »Ja, ja, weiter, wo es wichtig wird!«, drängte Remigius sie ungeduldig.
    »Tragen wir Euch an, eine Pietra-Dura-Tafel, wie gesehen auf dem Gut zu Kraiberg, gegen achthundert Gulden abzutreten an Seine Durchlaucht.« Marie überflog die Floskeln. »Wir erwarten eine entsprechende Antwort mit Verlautbarung der Umstände, unter denen besagte Tafel in die herzogliche Residenz zu München zu verbringen sei. Gezeichnet Geheimrat K. Zeiner, im Auftrage des Hofkammerrats Widmann.«
    Triumphierend schlug Remigius mit der Hand auf den Tisch. »Habe ich es doch geahnt! Ah, was wäre anderes zu erwarten von einem wölfischen Sammler wie dem Herzog! Er hat sie gesehen und muss sie besitzen! Sapperlot.«
    »Wölfischer Sammler?« Schuldbewusst legte Marie den Brief auf den Tisch.
    »Ihr habt ihn gesehen! Harte schlaue Augen, Krallen, die nichts hergeben, was sie einmal gepackt haben. Mich täuscht seine Frömmelei nicht, dieser Zinnober um die Heilige Jungfrau, der das Volk blendet und in einen rauschhaften Taumel geworfen hat, ha!«
    Seufzend suchte Marie nach der Tafel, die nicht wie sonst neben dem Schrank stand. Wo hatte der gebrechliche alte Mann sie in seinem Zorn hingeschafft? »Oheim, warum wollt Ihr die Tafel unbedingt behalten? Achthundert Gulden sind ein Vermögen, und Ihr könntet Euch neue Kleider, Bücher, Reisen leisten!«
    Sekundenlang starrte Remigius sie finster an, und Marie wusste nicht, ob sie etwas sehr Törichtes oder Beleidigendes gesagt hatte. Dann schien er es sich anders zu überlegen, leerte den Becher mit dem Kräuterwein und verzog den Mund zu einem gequälten Lächeln. »Frauen denken so, nicht wahr? Ich lebe schon so lange allein, dass ich manchmal vergesse, wie Frauen sind. Übrigens sieht Euer Kleid auch nicht gerade standesgemäß aus, werte Nichte.«
    Erleichtert über seinen Stimmungswechsel hob Marie den schmutzigen Überrock an. »Das lässt sich ausbürsten. Ich bitte Euch, Oheim, verratet mir, warum die Tafel so wichtig für Euch ist. Ihr habt diese Kupferstiche an Euren Freund geschickt, und der wurde ermordet!«
    »Behauptet dieser Fremde. Hat er gelogen? Ich kenne ihn nicht, habe nie von einem Sandracce gehört. Himmel, wäre ich jünger, ich würde selbst nach Prag reisen und herausfinden, was dort geschehen ist!«
    »Zumindest nachfragen könnten wir in der Werkstatt von diesem Castruccini, meint Ihr nicht?«
    »Castrucci!«, verbesserte ihr Onkel sie. »Darauf wäre ich auch von allein gekommen.«
    Marie lächelte in sich hinein. »Ich könnte den Brief aufsetzen, wenn Ihr möchtet?«
    »Unsinn! Gebt mir Feder und Tinte!«
    Nachdem sie sich umgeschaut und das Gesuchte gefunden hatte, legte sie es vor ihrem Oheim auf den Tisch, stellte eine Kerze und das Kästchen mit dem Siegelwachs dazu und wartete. Ihrem Gefühl zu vertrauen war eine Sache, und eine ganz andere, aus verlässlicher Quelle zu wissen, dass Ruben Sandracce ein

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