Blut und Kupfer
Steinschneider aus Prag war.
Aras spitzte die Ohren und ging zur Treppe.
»Frau von Langenau!«, rief Vroni von unten. »Der Herr Albrecht wünscht Euch zu sprechen!«
»Ihr habt schon wieder vergessen, die Tür zu verriegeln!«, kam es anklagend von Remigius. »Geht jetzt, aber kommt später noch einmal.« Er warf das herzogliche Schreiben zur Seite. »Ich fertige gleich ein Antwortschreiben, das mir Zeit verschafft, und dieser Meister Castrucci wird uns hoffentlich helfen können.«
»Soll ich Euch ein heißes Bad richten und ein warmes Mahl kommen lassen?«
Dieses Mal erreichte das Lächeln auch Remigius’ Augen. »Es wäre wohl an der Zeit.«
»Frauen sind doch nicht ganz unnütz …«
»Wer hätte gesagt, sie sind es?«
Das heisere Lachen ihres Onkels als versöhnliches Zeichen nehmend, verließ Marie den Turm.
Vroni tänzelte im Korridor herum wie ein junges Fohlen. Die dicken, glänzenden Haarkränze über ihren Ohren wippten, und ihre rosige Haut unterstrich ihre vor Glück sprühenden Augen.
»Heilige Jungfrau! Sag nicht, du strahlst wie ein Butterblümchen, weil du meinen Bruder gesehen hast?«, neckte Marie ihre Dienerin.
»Am nächsten Sonntag will der Paul mit mir zur Messe gehen!«, sagte Vroni stolz, um traurig hinzuzufügen: »Wenn sie ihn nicht ins Gefängnis stecken. Der Einhard läuft herum und erzählt diese Lügen!«
»Paul, der Sohn von Anton? Ich fürchtete schon, du hättest mit einem der herzoglichen Soldaten angebändelt.«
»Wie könnt Ihr das von mir denken? Soldaten sind lose Burschen, die einen nur ins Unglück stürzen. Paul ist ein rechtschaffener Mann.« Sie blieb stehen und sah ihre Herrin ernst an. »Ich habe gesehen, wie der Anton mit Euch gesprochen hat. Paul ist kein Dieb. Das mit dem Kindshändel ist eine ganz hundsgemeine Verleumdung!«
Marie spürte den kalten Luftzug, der durch alle Fenster drang. An einigen Stellen war das Holz vollständig vermodert und bot Ungeziefer jeder Art ungehinderten Einlass. »Ich habe Anton zugesagt, dass ich mit Einhard spreche, Vroni. Aber wenn es zur Anklage kommt, entscheidet Albrecht. Und gibt es tatsächlich ein Kindshändel, wird sich ein höheres Gericht mit Paul befassen.«
Sie erreichten den Durchgang zum Wohntrakt der herrschaftlichen Familie und hörten eine von Eugenias Töchtern schreien.
»Ich hab’s ja gesehen, das Kinderhändchen! Bei der heiligen Gottesmutter, das war ein grausiger Anblick! Aber Paul würde so was gar nicht anrühren!« Vroni senkte die Stimme und bekreuzigte sich. »Und man muss sich doch fragen, wo solch ein Händlein herkommt?«
Diese praktische und gleichzeitig furchtbare Frage stellte sich Marie auch. In irgendeinem Sarg oder einer Grube lag ein Kleinkind, dem man die Hand abgetrennt hatte.
Ursel kam mit verärgerter Miene aus dem Kinderzimmer, und Marie legte den Zeigefinger an die Lippen, um ihre Kammerdienerin von weiteren Bemerkungen zu dem heiklen Thema abzuhalten.
Die ältere Dienerin trug mit spitzen Fingern eine Stoffpuppe vor sich her. »Draufgepisst hat das kleine Biest!« Sie äugte blitzschnell den Gang hinauf und wieder herunter, entdeckte eine Wäschemagd und rief: »Nimm das hier mit in die Waschstube!«
Pater Hauchegger kam die Treppe herauf und betrat Eugenias Salon, ohne anzuklopfen.
»Na, der nimmt sich ja Freiheiten heraus …«, bemerkte Vroni halblaut.
»So weit hat der Herzog es getrieben mit seiner Vorliebe für die Jesuiten, dass sie sich schon benehmen wie die Hausherren selbst.« Marie missfiel das anmaßende Gebaren des Paters, wie ihr jede übertriebene Zurschaustellung religiöser Frömmigkeit suspekt war. In dieser Hinsicht war sie durch ihre Ehe mit Werno geprägt worden, der mit regelmäßigen Kirchgängen, Beichtzetteln und Almosen seinen Pflichten als guter Katholik nachgekommen war, sich ansonsten jedoch seine eigenen Gedanken zu Gott, Himmelreich und irdischer Hölle, wie er sich auszudrücken pflegte, gemacht hatte. Viel war ihr nicht geblieben aus ihrer siebenjährigen Ehe, nicht einmal ein Kind, doch sie hatte Freiheiten auf Langenau genossen, die sie auf Kraiberg nicht gekannt hatte. Und sie fühlte sich stärker und selbstbewusster, und dafür dankte sie ihrem verstorbenen Gatten, auch wenn er sie betrogen und mittellos zurückgelassen hatte.
Albrecht wartete in der Bibliothek auf sie. Das Stakkato, welches seine Finger auf die Tischplatte trommelten, verhieß nichts Gutes, genauso wenig wie Becher und Weinkrug. Vor dem Eintreten schickte
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