Blut und Kupfer
Kisten mit großen Käselaiben. »Wie komme ich am besten zum Hof von Einhard?«, fragte Marie ihre Dienerin.
»Wenn Ihr mit dem Verleumder reden wollt, braucht Ihr nicht weit zu gehen. Es ist der dickere der drei Männer am Karren.« Vroni drückte ihr blitzschnell den Arm und knickste ungelenk. »Ich werde jetzt Eure Kleider einpacken.«
Einhard war Schwaigbauer, hatte Anton gesagt, und als solcher verpflichtet, einen Anteil seiner Milcherzeugnisse an seinen Grundherrn abzugeben. Marie nahm den kürzeren Weg durch die Küche und näherte sich dem Milchbauern mit energischen Schritten. Der Mann hatte ein feistes, rundes Gesicht und trug unter seinem Wams einen speckigen Lederschurz. Wollene Stulpen schützten die Waden vor Regen und Kälte. Aus seinen Schuhen drang Stroh aus den Löchern hervor. Was seine Tiere hervorbrachten, mochte nahrhaft sein, reich machte es ihn offenkundig nicht. Marie winkte die Knechte fort.
»Lasst uns allein. Ich will mit dem Schwaigbauern Einhard sprechen. Das bist du doch?«, wandte sie sich forsch an den überraschten Mann.
Der riss sich den Filzhut vom kahlen Schädel und stotterte: »Ja, Herrin.«
»Mir ist da eine Sache zu Ohren gekommen, die mir nicht gefällt. Der Pächter Anton ist doch dein Nachbar?«
Einhard blinzelte sie aus kleinen Augen verschlagen an und schien den ersten Schrecken überwunden zu haben. »Das ist richtig, Herrin.«
»Du hast schwere Anschuldigungen gegen Antons Sohn hervorgebracht. Das kann den Jungen, wenn nicht sein Leben, so doch seine Zukunft kosten.«
»Ist ein Dieb, der Paul. Ist meine Christenpflicht, so einen anzuzeigen.« Einhard verschränkte die Arme vor der breiten Brust und stellte sich breitbeinig vor ihr auf.
Marie gab Aras ein Zeichen, und der Hund bewegte sich langsam und mit kaum hörbarem Knurren auf den sturen Mann zu, der die Arme sinken ließ und unruhig wurde.
»Ruft den Köter zurück, sonst stech ich ihn ab!« Der kräftige Mann griff nach dem Messer, das in seinem Gürtel steckte.
Auf ein leises Schnalzen hin entspannte sich der Hund, behielt den Bauern aber weiter im Auge. »Dann verhalte dich respektvoller! Es gibt Mittel, dir zu zeigen, wo dein Platz ist!«
Wütend ballte Einhard eine Hand zur Faust, neigte aber leicht den Kopf und murmelte: »Ja, Herrin.«
»Du sollst nicht falsch Zeugnis ablegen wider deinen Nächsten. Das ist eines der heiligen Gebote. Wenn du wissentlich dagegen verstößt, kommst du ins Fegefeuer.«
»Ich habe ein reines Gewissen«, behauptete Einhard, doch er sah sie nicht an.
»Vielleicht willst du die Ehre deiner Tochter schützen«, versuchte sie ihn zu locken, doch Einhard schnaubte wütend.
»Wer hat das behauptet? Anton, der sich für besser hält und nicht will, dass sein Sohn die Tochter eines einfachen Schwaigbauern ehelicht? Ich spucke auf ihn!« Die Kiefermuskeln des zornigen Bauern bewegten sich sichtbar.
»Ich habe da anderes gehört, Einhard. Vielleicht solltest du dich zuerst mit Anton aussprechen, bevor du seinen unschuldigen Sohn büßen lässt?«, sagte Marie immer noch so leise, dass die in einiger Entfernung wartenden Knechte sie nicht hören konnten.
»Herrin, ich weiß, wo mein Platz ist, aber ich weiß auch, wann ich mein Recht beanspruchen kann, und das werde ich!«
Der Kerl schien sich seiner Sache sehr sicher.
»Ich frage mich, woher das Kindshändel kommt … Zauberei ist ein furchtbares Vergehen, und jeder, der mit solcherlei in Verbindung gebracht wird, muss sich verantworten.«
Für einen winzigen Moment bröckelte die unnachgiebige Fassade des Bauern, und Marie ahnte, dass sie den wunden Punkt getroffen hatte. Wenn es gelang, die Herkunft der Kinderhand zu klären, wäre Paul entlastet. Die Ochsen vor dem Milchkarren zogen an, und Marie raffte ihre Röcke zum Gehen. »Überleg dir gut, ob dein Zorn dich nicht fehlgeleitet hat, Einhard. Wenn sich erst der Herr Albrecht mit der Sache befasst …«
Die Augen schmal vor Wut, fauchte Einhard: »Das ist Männersache. Eine Frau sollte sich nicht einmischen. Ihr wisst ja nicht, wie es hier zugeht.«
»Unterschätze mich nicht, Einhard. Und jetzt mach dich an dein Tagwerk!«, erwiderte Marie, die eine unterschwellige Angst vor dem jähzornigen Mann verspürte, sich das Gefühl jedoch sofort verbot und streitbar ihre Position verteidigte.
»Ja, Herrin. Gott zum Gruße.«
Einhards zynischen Unterton ignorierend versuchte sie einen möglichst würdevollen Rückzug durch den morastigen Hof. Vroni hatte bereits
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