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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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bröckeln, als sie Wald, einsame Felder und Wiesen aus den Augenwinkeln wahrnahm. Zwischen den kleinen Dörfern und Weilern gab es oft einen halben Tagesmarsch weit keinen Gasthof, nur Köhler oder Korbflechter fristeten einsam ihr kärgliches Dasein. In den Wäldern versteckten sich Gesetzlose und vagabundierende Soldaten. Weitere Gedanken verbot Marie sich und erwiderte: »Unter dem einfachen Volk finden sich mitunter redlichere Seelen als im Rock eines höfischen Beamten.«
    Der Wagen verlangsamte seine Fahrt, ruckte zweimal und hielt endlich an. Marie wartete nicht, dass Kranz oder der Kutscher ihr beim Aussteigen half, sondern stieß die Tür auf und sprang auf den steinigen Boden. Ihr Rock blieb hängen, und sie hörte den Stoff reißen, doch in dieser Situation war ein ramponiertes Kleid ihre geringste Sorge.
    Der Kutscher, ein stämmiger Kerl mit wettergegerbtem Gesicht, stieg ab, befestigte die Zügel und schaute sich unschlüssig um. »Was is’ n los? Müssen die Herrschaften austreten?«
    Die verschwitzten Pferde standen mit zitternden Flanken am abschüssigen Wegesrand. Inmitten wild wuchernden Schilfs und Buschwerks führte ein Trampelpfad zu einem schiefergedeckten Haus abseits der Hauptstraße. Aus dem Schornstein stieg Rauch auf, wie Marie mit einiger Erleichterung feststellte. Kranz machte sich nicht einmal die Mühe auszusteigen, sondern schrie durch die Tür, die er krachend zuschlug: »Lad das Gepäck der Dame ab und dreh um. Wir fahren nach München zurück!«
    »Aber Herr, bis zum Gut ist es nicht mehr weit …« Der Kutscher kratzte sich den Kopf und ging langsam zur Wagenrückseite, an der Maries Truhe festgezurrt war.
    »Frag nicht dumm, sondern tu, was man dir befiehlt!«, rief Kranz von drinnen.
    Heilige Jungfrau, kann man sich derartig in einem Menschen täuschen? Wie hatte sie nur glauben können, dass der Advokat ein liebestoller Narr war, der ihr jeden Wunsch erfüllen würde, um ihr zu gefallen? Ängstlich hielt Marie nach Bewohnern des Häuschens Ausschau und zuckte zusammen, als die Reisetruhe mit Wucht auf dem Boden zu liegen kam. Der Kutscher hob die schwere Truhe an und zog sie über den Kies bis zum Beginn des Trampelpfads.
    »Allein kann ich die nicht da runterschaffen. Ich werde mal sehen, ob da jemand helfen kann.« Der Kutscher hatte keine drei Schritte Richtung Haus zurückgelegt, als Kranz brüllte: »Komm sofort zurück! Wir fahren weiter!«
    Unglücklich über die offensichtliche Notlage der Frau stapfte der Kutscher nur widerstrebend auf die Kutsche zu und blieb bei Marie stehen. Er stellte sich mit dem Rücken zum Wagenfenster, so dass Kranz nicht sehen konnte, was er tat, und zog ein Jagdmesser aus seinem Gürtel. »Hier, nehmt das. Tut mir leid, dass ich nichts für Euch tun kann, aber der Herr befiehlt …« Er hob die Schultern.
    Dankbar, wenn auch furchtsam, nahm Marie die Waffe und versteckte sie zwischen ihren Röcken. »Wie lange laufe ich von hier bis Kraiberg?«
    »Zwei bis drei Stunden.« Der Kutscher sah zum verhangenen Himmel hinauf, an dem sich eine weitere dunkle Regenwolke näherte. »Noch fünf Stunden bis zum Dunkelwerden. Vielleicht haben die Leute da ein Pferd und holen einen Wagen vom Gut für Euch.«
    »Was redest du noch? Komm sofort her, oder ich kürz dir den Lohn auf die Hälfte!« Der Advokat streckte den zornesroten Kopf aus dem Fenster und schlug mit der Hand gegen die Wagentür.
    »Danke dir«, sagte Marie leise und nickte dem Kutscher, dass er gehen sollte. Sie ging bis vor das Wagenfenster, durch welches sie den boshaften Kranz im Halbdunkel sitzen sah. »Ihr könnt wahrhaft stolz auf Euch sein. Eine Frau hilflos in der Einöde auszusetzen ist eine Leistung, die Euch bei Hofe sicher den Ruf eines Weiberhelden eintragen wird. Seid versichert, dass ich der Herzogin von Eurem vorbildhaften Betragen Nachricht geben werde.«
    »Was auch immer Ihr zu sagen habt, wird zu spät auf die Ohren Ihrer Durchlaucht treffen, die dann bereits meine Version der Geschichte kennt, und dass Ihr dabei nicht als tugendhaft wegkommt, muss ich nicht betonen.« Kranz wischte sich die Haare aus der feuchten Stirn und fingerte in seinem Wams, bis er eine kleine Dose zu Tage förderte.
    Marie sah noch, wie er sich etwas aus der Dose in den Mund stopfte, bevor der Kutscher mit der Zunge schnalzte und die Pferde langsam zum Wenden bewegte. Der Anblick der sich entfernenden Kutsche bannte Marie noch eine Weile. In Sichtweite machte die Straße eine Kurve, und als das

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