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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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Gefährt hinter einer Ulme verschwand, nahm sich Marie ein Herz und schritt den Pfad hinunter in die Senke, in der sich das kleine windschiefe Haus an eine riesige Fichte schmiegte.
    Hinter dem Haus ertönte ein gleichmäßiges Klopfen, und vor der Tür baumelten Körbe verschiedener Größen und Formen im stärker werdenden Wind. Die ersten Tropfen klatschten Marie ins Gesicht, als sie die ausgetretenen Holzbohlen erreichte, die im matschigen Boden vor der Haustür eingelassen waren.
    »Gott zum Gruße!«, rief Marie und stellte sich unter das winzige Vordach, das nur wenig Schutz vor den dicken Tropfen bot, die nun herniedergingen.
    Das Klopfen erstarb, und ein Kopf, der halb von einer Kapuze verhüllt war, schaute um die Ecke. »Wer spricht?«, krächzte die kleine Gestalt, in der Marie eine Frau mittleren Alters vermutete, doch unzureichende Ernährung hatte ihre Zähne ausfallen lassen, und die Haut spannte sich über spitzen Wangenknochen.
    »Verzeih mein Eindringen, ich bin in einer Notlage und muss hinauf nach Kraiberg. Gibt es bei euch ein Pferd?«
    Der Mund mit den braunen Zahnresten wurde zu einem kehligen Lachen aufgerissen, und das verhärmte Weibsbild kam mit einem Hammer und einem Hobel um die Ecke. Neugierig beäugte sie den unverhofften Besucher und taxierte den Wert von Maries Kleidung. »Der Vath hat ein Maultier, aber er kommt erst spät zurück, weil er die Körbe verkaufen muss. Dann schneidet er noch frische Weidenruten.«
    In diesem Monat und im Mai wurden die Korb- und die Blendweiden von den Körbern geschnitten. Auf Langenau hatte Marie oft zugesehen, wenn die Körber die langen Ruten mit ihrer Klemme, einer speziellen Zange, schälten, dann hobelten und vor dem Biegen einweichten. »Der Vath, ist das dein Mann?«
    Die Körberin nickte und starrte an Marie vorbei den Pfad zur Straße hinauf, wo sie die Truhe erspähte. »Der kommt spät. Wollt Ihr hier warten?«
    Marie hatte den Blick wohl bemerkt und war sich nur allzu bewusst, dass sie den Leuten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war, wenn sie allein hierblieb. Niemand wusste, wo sie sich befand, und wenn die armen Körber beschlossen, sich ihres Besitzes zu bemächtigen, sie umbrachten und ihre Leiche in irgendeiner Grube versenkten, würde niemand je davon erfahren. »Solange der Schauer währt. Dank dir, gute Frau.«
    »Ja, ja, kommt nur herein. Seid Ihr vom Gut? Hatte Euer Wagen einen Unfall, oder seid Ihr gar überfallen worden? Hier gibt es schlimmes Gesindel. Die machen nicht einmal vor meinem Vath Halt, und außer den Körben und den paar Groschen, die sie einbringen, hat er nichts, pfui Teufel, was ein Gelichter!«, schwätzte die Alte, während sie die Tür aufzog und Marie Eintritt in ihre ärmliche Behausung bot.
    Das Tageslicht schien durch Ritzen und Löcher in das Hausinnere, das aus einem einzigen großen Raum bestand. Vor dem mit Wachstuch verhängten Fenster standen Bank und Tisch, davor ein Schemel, und überall, die karge Bettstatt eingeschlossen, lagen Körbe und anderes Flechtwerk in verschiedenen Fertigungsstadien, dazwischen Werkzeuge und Hanfseile. Unter dem Bett ragte der Bogen einer Armbrust hervor. Wahrscheinlich wilderte der Körber im Revier ihres Bruders oder dem der Nachbarherren. Neben einem zweiten Ausgang befand sich die Feuerstelle. Darüber hing ein Topf, dem ein säuerlicher Geruch entstieg.
    Die Körberin warf die Werkzeuge auf den Boden, zog die Kapuze vom Kopf und legte den nassen Umhang ab. Dünne braune Haare waren zu einem Zopf gebunden und aufgesteckt. Mit schmutzigen Fingern kratzte sich die Frau zuerst den Kopf, betrachtete, was zwischen den Fingern zu sehen war, und wischte sie in ihrem Kleid ab. Anschließend ging sie an den Kochtopf, rührte seinen Inhalt um und steckte ihren Finger hinein. Das Geschmacksergebnis schien sie zufriedenzustellen. »Wollt Ihr von der Hühnersuppe essen? Sie ist erst zwei Tage alt, und Fleisch ist noch drin.«
    »Danke, das ist sehr großzügig, aber ich habe keinen Hunger.« Marie zog sich den Schemel heran und setzte sich an den Tisch, wobei sie die Türen im Auge zu behalten suchte. »Gehört ihr zum Gut des Herrn von Kraiberg?« Marie wusste nicht, wie viel Land ihr Bruder bereits verkauft hatte.
    Mit einer Holzschüssel Suppe hockte sich die Frau auf die Bank. Während sie gierig den Inhalt schlürfte, sagte sie: »Das letzte Mal haben wir dem Steinheil Pacht bezahlt. Dem gehört die Wirtschaft im Dorf. Ein Herr ist wie der andere, pressen uns aus, bis

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