Blut und Rüben
kümmere mich mal um die Getränke«, erklärte ich, nachdem ich eine Weile mehr oder weniger nur nutzlos herumgestanden hatte.
»Im Keller!«, erklärte die Gräfin. »Dort bleiben sie bis zum Abend kalt.«
Ich verzog mich nach unten, inspizierte die gelieferten Weine und Bierfässer. Aber auch hier unten gab es nichts zu tun für mich.
Schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Ich rief Norbert an.
»Bist du verrückt?«, schimpfte er.
»Ich wollte ja nur wissen ...«
Er seufzte. »Ich kann dich ja verstehen«, sagt er, deutlich milder gestimmt. »Aber glaub mir, wir haben alles unter Kontrolle. Wir lassen die drei Herrschaften nicht eine Sekunde aus den Augen.«
»Und wie sieht’s aus?«, erkundigte ich mich.
»Dein Vetter scheint noch zu schlafen. Jedenfalls hat er sich bis jetzt nicht vor seinem Haus blicken lassen. Wattenberg senior ist um acht Uhr zu seiner Tankstelle gefahren und hat dort seinen Angestellten abgelöst. Der Junior ist um fünf Uhr aufgestanden und in den Stall gegangen, wahrscheinlich Kühe melken. Ein paar Schweine hat er auch noch.«
Ich unterbrach die Verbindung. Es gefiel mir nicht, dass er die Verdächtigen observierte. Wenn es stimmte, dass Armin eine RAF-Vergangenheit hatte, dann war auch er Profi. Durch und durch. Ich stellte mir vor, dass er jahrzehntelang damit gerechnet haben musste, dass man ihn fand. Wahrscheinlich hatte er längst eine Paranoia entwickelt. Es kribbelte mir in den Fingern, auch ihn anzurufen. Nur um sicherzugehen, dass er wirklich zu Hause war.
Armin, ich konzentrierte mich die ganze Zeit auf Armin. Aber was, wenn Wattenberg der Entführer war? Vielleicht sogar mit seinem Sohn zusammen? Ich wusste zu wenig über sie, um mir ein Urteil bilden zu können.
Ich schlug mir an die Stirn. Natürlich, wenn jemand etwas über die beiden wusste, dann die Gräfin! Dank ihres Landfrauenklubs war sie immer über den neuesten Klatsch und Tratsch informiert.
Ich stiefelte wieder hoch. Ich hatte Glück. Sie hatte sich auf eines der Sofas gesetzt, sie sah erschöpft aus.
»Was wissen Sie eigentlich über Hubert Wattenberg?«, fragte ich sie rundheraus.
Erstaunt sah sie mich an. »Was haben Sie mit diesem Menschen zu tun?«
»Ach, ich kenne jemanden, der hat Ärger mit ihm ...«, wich ich aus. Zumindest war das nicht ganz gelogen.
»Wattenberg hat keinen guten Ruf – obwohl er bei der Feuerwehr ist und manches Haus vor dem Abbrennen bewahrt hat«, erklärte die Gräfin. »Er ist rüpelhaft und hat überhaupt keine Manieren. Neulich hat er eine meiner Freundinnen vom Landfrauenklub eine dumme Gans genannt! Eine dumme Gans, können Sie sich das vorstellen, Moritz? Und dabei hat sie ihn nur gefragt, warum das Benzin bei ihm teurer ist als an der Esso-Tankstelle in Lage.«
»Dafür kann er nichts, die Preise werden ihm vorgegeben«, erklärte ich.
»Ja, aber sie gleich zu beschimpfen ist nicht die feine Art. Deswegen sind ihm auch seine Ehefrauen davongelaufen. Die erste vor über zwanzig Jahren. Er hat sie geschlagen. Aus dieser Ehe stammt sein Sohn Gregor. Der ist nach seinem Vater geraten. Außerdem trinkt er.«
»Zumindest scheint er fleißig zu sein«, wandte ich ein. Ich dachte daran, was mir Norbert erzählt hatte. Gregor Wattenberg war bereits um fünf Uhr in den Stall marschiert.
»Der und fleißig?« Die Gräfin winkte ab. »In der Schule war er schon der Faulste, danach hat er nie richtig gearbeitet und ist nie über die Runden gekommen. Bis sein Vater ihm die Landwirtschaft übergeben hat. Allerdings munkelt man, dass er nicht gerade ein guter Bauer ist.«
»Wieso?«
»Er soll nicht sehr sanft mit seinen Tieren umgehen. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Es gibt einige Gerüchte, aber ich will mich daran nicht beteiligen ...«
Gegen drei kamen Maria und Rolf. Beide waren sehr angetan von dem, was sie sahen.
»Der Große Saal ist ja ein Schmuckstück«, sagte Maria. »Wenn ihr auch auf anderen Gebieten so weitermacht, werdet ihr eine echte Konkurrenz für den Lipper Hof .«
»Übertreib nicht. Wir streben allenfalls den Rang eines Ausflugslokals an.« Ich betrachtete sie genauer. Sie trug Jeans und einen alten Pullover. »Wieso bist du überhaupt hier?«
»Hast du mich nicht eingeladen? Glaubst du, ich lasse euch allein?« Sie lächelte, und es stand ihr ungemein gut.
Allmählich glaubte ich, dass nichts mehr schiefgehen konnte.
Während Maria schon mal die Küche inspizierte, half ich Rolf, die Speisen und die Pakete hereinzutragen. Zudem hatte er
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