Blut und Rüben
für jemanden, der nicht tagtäglich mit den Hardcore-Seiten unserer Arbeit vertraut ist, war das alles ein bisschen viel.«
»Halt mich nicht für bescheuert«, unterbrach ich ihn. »Natürlich weiß ich, dass man den Major im Teich gefunden hat. Aber der Torso von Ludwig befindet sich ebenfalls dort.«
»Ach, ja?« Norbert schaute mich mit zusammengekniffenen Augen an. Er wirkte sehr skeptisch.
»Tu mir den Gefallen, Norbert: Lass deine Leute den Teich absuchen. Sie werden dort auf Ludwigs Leiche ohne Kopf stoßen!«
Auch er schenkte sich ein Glas Wasser ein. »Jetzt brauche ich auch erst einmal einen Schluck.«
Er trank und schwieg, während ich merkte, dass es hinter seiner Stirn arbeitete.
»Das ist nicht so einfach«, sagte er schließlich. »Ich muss Spezialtaucher anfordern. Das Ganze ist nicht billig. Heutzutage kostet jeder Furz Geld, und ich muss für jeden Cent geradestehen. Also muss ich die ernsthafte Hoffnung haben, dass die Aktion von Erfolg gekrönt sein wird. Du musst mir also schon sagen, woher du deine Erkenntnisse hast.«
Diesmal war ich es, der sich eine Weile in Schweigen hüllte. Schließlich begann ich diplomatisch: »Du weißt ja, dass viele große Erfindungen und Entdeckungen im Traum gemacht worden sind. Edison, der Vater der Elektrizität, soll angeblich die Erleuchtung zu einem Viertel seiner über zweitausend Erfindungen im Schlaf bekommen haben.«
»Ja, da gibt es eine ganze Menge Spinner. Habe ich auch gelesen. Der Erfinder der Xerox-Kopierer hat auf dem Sterbebett gebeichtet, dass seine Idee von einer Stimme aus dem Jenseits kam.«
»Mach dich ruhig lustig«, sagte ich gekränkt. Dann erzählte ich ihm von meinem Traum.
»Mein Traum war nur der Anlass, dass mir plötzlich die Erkenntnis kam«, fuhr ich fort. »Die Erkenntnis, dass der Tod zweier Männer, von denen der eine plötzlich keinen Kopf und der andere keinen Körper mehr hat, kein Zufall sein kann.«
»Ach ja? So weit waren wir auch schon mit unseren Erkenntnissen.«
»Angenommen, der oder die Mörder sind die gleichen Personen, dann würde es doch Sinn machen, dass sie irgendwie die gleichen Tatorte aussuchen.«
Norbert seufzte. »Gib’s auf! Ich weiß, dass du früher großen Erfolg damit gehabt hast, Verbrecher aufzuspüren. Aber hier haben wir es eindeutig mit Irren zu tun!«
»Nur mal angenommen, meine Theorie stimmt und Ludwigs Körper treibt wirklich irgendwo da unten im Teich. Und denken wir mal weiter: Wir würden dafür plötzlich den Kopf des Majors irgendwo bei der Falkenburg finden. Was hieße das? Dass der Mörder uns etwas mitteilen will.«
»Und was?«
Ich trank noch einen Schluck Wasser, bevor ich fortfuhr. »Nun, zunächst einmal, dass es sich um ein und dieselben Täter handelt. Oder einen einzelnen Täter.«
Wieder seufzte er. »Ich weiß zwar nicht, was das bringen soll, aber bevor du plötzlich anfängst, selbst im Wiembeckteich zu tauchen, überlasse ich das lieber den Experten.«
Er griff zum Handy, erwischte einen seiner Leute und gab ein paar eindeutige Anweisungen. Mit Genugtuung vernahm ich, dass er ein Schlauchboot und zwei Taucher anforderte. Dann beendete er das Telefonat rasch.
»Was ist eigentlich genau passiert?«, fragte er dann ernst. »Nicht dass du das falsch verstehst: Das ist kein Verhör. Das machen wir in aller Ruhe, wenn es dir wieder besser geht.«
»Ich habe nach wie vor nur unvollständige Erinnerungen daran«, erwiderte ich.
»Wir haben die Fußspuren untersucht. Sehr wahrscheinlich waren es zwei Täter. Der Schuhgröße und der Spurentiefe nach, war der eine circa eins achtzig groß und vierundachtzig Kilo schwer. Der andere war wohl kleiner. Vielleicht nur eins fünfundsiebzig, dafür aber mindestens über hundertdreißig Kilo schwer. Beide trugen Turnschuhe aus dem Aldi.«
Ich überlegte kurz, dann schüttelte ich den Kopf. »Die Beschreibung könnte auf viele Leute passen. Aber konkret fällt mir niemand ein.«
»Der Tathergang, soweit wir ihn rekonstruieren konnten, lässt darauf schließen, dass es sich nicht um eiskalte Profis handelte. Die hätten dich kaltgemacht. Es sei denn, sie hatten nur den Auftrag, dich ein bisschen zu erschrecken. Aber auch die Stiche lassen vermuten, dass es sich eher um Amateure gehandelt hat. Bei dem Messer handelt es sich um ein Jagdmesser. Sauscharf die Dinger, aber nicht unbedingt zum Zustechen geeignet, eher zum Aufschneiden. Die entscheidende Frage ist: Wen hast du derart geärgert, dass er dich fast verbluten
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