Blut und Rüben
sich zusammen. Diesmal hatte mich der Knüppel in der Rippengegend getroffen. Ich sackte auf die Knie. Mein Blick trübte sich. Ich nahm die beiden Angreifer wie durch einen blutigen Schleier wahr.
»Lass ihn, der hat genug!«, sagte der mit dem Knüppel.
Der andere lachte heiser auf.
Beide Stimmen kamen mir bekannt vor, aber unter ihren Kapuzen klangen sie verfremdet.
Das Bellen kam näher. Luna! Also hatte ich die Tür doch offen gelassen.
Plötzlich bekam ich große Angst, dass sie auch Luna etwas antun würden.
Dann ging alles sehr schnell. Mein Wahrnehmungsvermögen reagierte übersensibel. War es bis eben noch extrem verlangsamt, geschah um mich herum jetzt alles wie in einer Zeitrafferaufnahme.
Das Bellen ist jetzt ganz nah. Luna ist da. Der mit dem Messer schreit auf. Seine Hand stößt vor, das Messer sticht in meinen Arm. Fährt wieder hervor. Stößt nochmals vor, diesmal in meine Brust. Blut, überall Blut. Fasse mit blutverschmierten Händen die Klinge. Sie ist glitschig, versuche sie dennoch festzuhalten. Lass es gut sein, schreit der mit dem Stock. Der andere tritt mir ins Gesicht. Wütendes Bellen Knurren schwarzer Schatten Fell schwarzes Fell blutig scheiß Köter komm weg die Erde schmeckt nach Blut braver Hund wach bleiben wach ...
Jetzt nicht schwach werden! Stark sein!
Ich sah zwei Paar sich entfernende Beine. Es war zu dunkel, als dass ich Details wahrnehmen konnte. Die beiden nahmen einen anderen Weg als den, über den sie gekommen waren. Sie rannten Richtung Straße.
Das Hundegebell war verstummt.
Luna! Ich schaute mich um. Vergaß den eigenen Schmerz. Der fellbedeckte Körper lag nur wenige Schritte von mir entfernt. Ich zog mich auf dem Boden dorthin. Alles an meinem Körper tat höllisch weh.
Dann war ich bei ihr. Das Fell war feucht. Feucht von Blut. Aber sie atmete noch. Der Brustkorb hob und senkte sich. Als ich über ihre Schnauze strich, leckte sie mir die Hand.
Ich wollte tröstend auf sie einreden, brachte aber nur ein Krächzen hervor. Zum ersten Mal verfluchte ich mich, dass ich kein Handy dabeihatte.
Ich musste zurück ins Haus! Wie weit war es wohl bis dahin? Es lag hinter einer leichten Biegung. Ich konnte es nicht sehen.
Wie konnte ich die Schmerzen ausblenden? Ich versuchte mich zu erinnern und konzentrierte mich auf meinen Atem. Langsam atmete ich ein. Der Schmerz durchzuckte mich wie ein Elektroschock. Aber einer, der sich durch das Fleisch brennt und der mit Widerhaken versehen ist.
Ruhig ausatmen. Der Schmerz war verschwunden. Ich fühlte mich wie auf einer Wolke. Die Arme nach vorne, ziehen, sodass die Beine folgen konnten. Einatmen, und wieder spürte ich den brennenden Schmerz in meiner Brust. Diesmal löste sich ein Schrei aus meinem Mund.
Schreien! Ja, ich musste schreien! Um Hilfe schreien!
Doch wieder brachte ich keinen Laut hervor. Ein Schwall Blut drang aus meinem Mund.
Ich stützte mich auf die Ellenbogen und sah in die unendliche Dunkelheit. Ich würde es nie bis zurück zum Haus schaffen. Die Erkenntnis, dass ich nicht von hier wegkam, dass ich immer mehr Blut verlor und dass ich irgendwann hier sterben würde, trieb mir die Tränen in die Augen.
Ich biss die Zähne zusammen, schob erneut die Arme vor, ließ meinen Körper und meine Beine folgen. Mein Atem ging stoßweise. Und bei jedem Atemzug hatte ich das Gefühl, als würde erneut eine Klinge mein Inneres durchbohren.
Irgendwann gab ich auf.
Meine Arme gaben nach. Mein Kopf sank zu Boden. Jetzt schmeckte ich außer Blut auch Erde. Feuchte Erde. So musste es sein, wenn man beerdigt wurde und scheintot war.
Scheißassoziation!
Das war der letzte Gedanke, den ich hatte. Mein Bewusstsein versank in einer schwarzen, unergründlichen Tiefe.
Ich träumte. Ich träumte, ich wäre nur noch ein Kopf. Ich war unter Wasser. Plötzlich trieb ein anderer Kopf auf mich zu. Es war der von Ludwig. Er öffnete die fischartigen Lippen und klagte: »Hast du meinen Körper gesehen? Er muss hier irgendwo sein ...«
Dann vernahm ich noch eine Stimme:
»Es ist ja gut! Ich bin bei dir!«
Ich schlug die Augen auf und wähnte mich abwechselnd im Traum und im Paradies. Maren stand über mich gebeugt, und mit der Hand strich sie mir über die Wange.
»Alles ist gut«, wiederholte sie. »Du hast fantasiert.«
»Fantasiert?« Meine Stimme klang krächzend und heiser. So gar nicht wie meine gewohnte Stimme.
Ich wollte den Kopf bewegen, aber es ging nicht.
»Bleib ganz still liegen. Kein Grund, dir Sorgen zu
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