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Blut und Rüben

Blut und Rüben

Titel: Blut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Voehl
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einsam vor mir.
    Ich rollte hinaus bis zum Aufzug, fuhr hinunter ins Erdgeschoss und strebte, an der Rezeption vorbei, dem Ausgang zu.
    Geschafft! Zum ersten Mal seit Tagen atmete ich durch. Die Luft war klar und würzig. Sie trug den Geschmack des kommenden Frühlings mit sich.
    Ich rollte über die Rampe bis zur Einfahrt hinunter und jubilierte, als ich die wartenden Taxis dort unten sah. Ich wählte das erste, das mit laufendem Motor wartete.
    Der Fahrer half mir in den Wagen, klappte den Rollstuhl zusammen und erkundigte sich, wohin er mich fahren sollte.
    Zunächst steuerten wir die Sparkasse an. Ich bat den Fahrer, den Rollstuhl wieder aufzuklappen und mir dabei behilflich zu sein, eintausend Euro abzuheben. Dann fuhren wir nach Bielefeld. Ich blieb im Wagen sitzen, während er Luna auslöste. Als er mit ihr zurückkam und sie mich erblickte, veranstaltete sie einen Freudentanz. Sie trug noch immer einen weißen Verband, aber der stand ihr gut. Sie sprang ins Auto, hüpfte auf mich drauf, sodass ich glaubte, sie würde mir erneut alle Knochen brechen, und schleckte mir das Gesicht ab.
    »Das muss wahre Liebe sein«, stellte der Taxifahrer fest. »Über achthundert Euro für einen Köter – und woanders machen sie schmackhaftes Gyros daraus.«
    »Tja, wo die Liebe hinfällt«, erwiderte ich nur und ließ mich nach Hause bringen.
    Der Fahrer brachte mich bis zur Haustür, indem er mich stützte. Die Aussicht, endlich wieder zu Hause sein zu dürfen, gab mir zusätzliche Kraft. Mit jedem Schritt fühlte ich mich besser.
    Als wir bei der Haustür angekommen waren, sagte ich: »Danke, den Rest schaffe ich selbst.« Er brachte mir noch den Rollstuhl und klappte ihn auseinander, sodass ich mich jederzeit wieder hineinsetzen konnte. Dann verabschiedete er sich von mir und fuhr davon.
    Das Haus lag in ungewohnter Stille. Vergebens hielt ich nach Ollies Morgan Ausschau. Luna kläffte vor Freude, wieder hier zu sein. Doch niemand reagierte auf ihr Bellen. Nicht einmal Duffy kam herausgelaufen, um sich zu beschweren.
    Na schön, dann mussten Luna und ich unser Wiedersehen eben allein feiern.
    Als ich die Tür zum Treppenhaus aufgeschlossen und sie aufgestoßen hatte, spürte ich sofort, dass etwas nicht stimmte. Auch Luna fing plötzlich an zu knurren. Ehe ich sie zurückhalten konnte, rannte sie an mir vorbei ins Haus und lief die Treppen hoch. Dort hörte ich sie wütend kläffen. Dann verstummte sie.
    Die Angst meldete sich in mir zurück. Ich fühlte mich ein paar Tage zurückversetzt. Noch immer erinnerte ich mich nicht vollständig daran, was geschehen war.
    Aber mein Körper erinnerte sich. Und reagierte augenblicklich.
    Ich war nicht in der Lage, mich zu bewegen. Weder nach vorn noch zurück. Ich war wie erstarrt.
    Es war eine verdammte Schnapsidee gewesen, aus dem Krankenhaus zu flüchten, ohne jemandem Bescheid zu sagen.
    Ich lauschte. Von oben glaubte ich Lunas unterdrücktes Bellen zu hören. Von weiter weg, von der Straße, drang der Verkehrslärm herüber. Ich verfluchte mich, dass ich den Taxifahrer schon weggeschickt hatte.
    Mein eigener Wagen stand in der Parkbucht, aber der Schlüssel befand sich in der Wohnung. Außerdem konnte ich immer noch keinen Finger bewegen.
    Ich zitterte.
    Von der Hauptstraße her näherte sich ein Motorgeräusch. Mein Herz hämmerte schmerzhaft gegen die Rippen. Hoffnung keimte in mir auf. Vielleicht war dem Taxifahrer ja eingefallen, doch noch einmal nach mir zu schauen. Einen Rollstuhlfahrer setzt man nicht alle Tage in der Walachei ab.
    Doch das Geräusch klang anders, nicht wie ein Diesel, sondern dezenter.
    Also konnte es auch nicht Ollies Morgan sein, den ich ebenso wie Duffys Ente in der Einfahrt vermisste.
    Die Räder des herankommenden Wagens ließen den Kies aufspritzen – ansonsten erreichte er den Hof so lautlos wie ein Hai.
    Endlich gelang es mir, den Kopf zu wenden. Ich erblickte einen schwarzen BMW der Oberklasse. Hinter den getönten Scheiben waren nur schemenhaft zwei Personen zu erkennen. Eine saß hinter dem Steuer, die andere auf dem Beifahrersitz. Ob auf dem Rücksitz noch jemand war, wollte ich nicht ausschließen. Die Scheiben waren völlig schwarz und spiegelten den Hof wider.
    Meine Starre löste sich. Ich sank in den Rollstuhl, der neben mir stand. Es gelang mir sogar, ihn zu wenden, sodass ich den Ankömmlingen jetzt entgegenblicken konnte.
    Fast gleichzeitig öffneten sich die beiden vorderen Türen, und zwei alte Bekannte stiegen aus. Die

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