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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Tier zu erkennen, wer von den hohen Gästen schon eingetroffen war. Jetzt kümmerte ihn das ebenso wenig wie der Gedanke, dass dort hinten statt der ersehnten Geliebten auch jemand warten könnte, der den Vertrauten des einstigen Meißner Markgrafen und Verteidiger Freibergs gegen die königliche Streitmacht beseitigen wollte.
    Allmächtiger Vater im Himmel, wenn Du Erbarmen hast, dann lass sie hier sein!, flehte er stumm.
    Und dann sah er sie aus dem Dunkel treten, so wie er sie in Erinnerung hatte: schlank, mit Locken, die ihr über die Schultern fielen, und Augen, die nur auf ihn gerichtet waren.
     
    »Du hast mir so gefehlt …«, flüsterte er, unfähig vor Glück und Verzweiflung zugleich, seine Gefühle zu verbergen, während er sie an sich riss und ihr Gesicht mit Küssen bedeckte.
    Ohne ein Wort zu erwidern, umfasste sie seinen Kopf mit beiden Händen und zog ihn zu sich, um ihn lange und innig zu küssen.
    Sie stöhnte, als er ihren Leib heftig an sich presste, und unternahm doch keinen Versuch, seiner Umklammerung zu entrinnen.
    Ihm war zumute, als würde sie mit ihren weichen, warmen Lippen, mit ihren Küssen den undurchdringlichen Panzer auflösen, der sich im letzten Jahr über seine Seele gelegt hatte.
    Und dann spürte er die Tränen, die ihr über die Wangen liefen, während sie vor Glück gleichzeitig lachte und weinte.
    »Du hast mir so gefehlt«, flüsterte er erneut und strich sanft über ihre Wangen, um das salzige Nass wegzuwischen. »Weine nicht … Weine doch nicht!«
    Sie schüttelte den Kopf und wollte lachen, aber es wurde nur ein Schluchzen daraus. Dann küsste sie ihn erneut so heftig, dass es ihm beinahe den Atem nahm. Und während sie sich an ihn presste, erkundeten seine Hände wie von selbst ihren Körper von neuem, den er ein Jahr lang nicht mehr gespürt hatte.
    Jede Einzelheit kam ihm so vertraut vor, als wären sie nie getrennt gewesen. Er spürte ihre Brüste durch den Stoff ihres einfachen Kleides, herrlich weich und wie für seine Hände geschaffen, die Rundungen ihrer Hüften, die schlanken Schenkel.
    Und er spürte ihre Hände, warm und zärtlich, die seinen Nacken entlangglitten, so dass sich die feinen Härchen aufrichteten und ihn ein wohliger Schauer durchfuhr, die seine Brust liebkosten und dann seinen Rücken fest umklammerten.
    »Liebste …«, flüsterte er.
    Kein Wort mehr brachte er heraus, obwohl er ihr so viel hätte sagen wollen: Wie sehr er sich nach ihr gesehnt hatte, dass er jede Nacht von ihr geträumt hatte und dass er es unendlich bedauerte, ihr kein bequemeres Lager bieten zu können. Er konnte nicht damit rechnen, in der überfüllten Burg ein Quartier zu finden, in dem sie ungestört waren. Für den Pfennig würde der Pferdebursche Sorge tragen, dass vorerst niemand zum hinteren Ende des Stalles ging, damit der fremde Ritter ungestört war.
    Doch das alles musste er ihr nicht sagen.
    Sibylla wusste es auch so.
    Überrascht von der Stärke ihrer eigenen Gefühle, ließ sie sich gegen einen der Strohballen sinken, die an der Rückwand übereinandergestapelt lagen, und zog ihn sehnsüchtig auf sich.
    Ulrich fühlte sich wie in einem Rausch, wie in einem Traum. Er stöhnte, als er in ihren warmen Schoß eindrang, der ihn erwartete, und er merkte selbst nicht, dass er einen Schrei ausstieß, als er sich in sie ergoss – einen Schrei, als wollte er damit all die Verzweiflung herauslassen, die in den letzten Monaten sein Innerstes erfüllt hatte.
    Nun war er es, der die Tränen nicht bezwingen konnte, als er seinen Kopf an ihre Schulter lehnte, während er immer noch die Wärme ihres Schoßes genoss.
    Und nun war sie es, die flüsterte: »Liebster!«
    Wieder und wieder strich sie ihm über das schulterlange dunkle Haar, wie es eine Mutter mit einem weinenden Kind tat, küsste seine Schläfe und hielt ihn umklammert.
    Eine der Geschichten aus alten Tagen fiel ihm ein, von einem Mann, der sich drei eiserne Ringe um sein Herz hatte legen lassen, damit es vor Schmerz nicht zersprang. Erst als er seine Geliebte wiederfand, zerbrachen die Ringe.
    Ulrich war zumute, als hätte sie mit ihren schmalen Händen die eisernen Ringe gesprengt, die er um sein Herz gelegt hatte. So sehr schmerzte es ihn – und so sehr fühlte er sich zugleich befreit.
    Vorsichtig löste er sich von ihr und nahm ihr Gesicht in seine vom Schwertkampf schwieligen Hände. In der Dunkelheit versuchte er in ihren Zügen zu lesen: die Antwort auf die Frage, die ihn beinahe zerriss.
    Sibylla

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