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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Mühe kämpfte er die auf ihn einstürmenden Bilder von dem Massaker im Schnee vor anderthalb Jahren nieder.
    Der Brunnen auf dem Marktplatz war verwaist, ungewöhnlich um diese Tageszeit.
    Dort, wo einst Nikol Weigharts Haus gestanden hatte, klaffte immer noch eine Lücke – vermutlich als Warnung für alle, die dem König und seinem Statthalter die Treue verweigerten. Aus dem Haus des Weinhändlers drangen die lauten Stimmen von mindestens einem halben Dutzend Männern. Zwei Huren kamen aus der Kesselmachergasse, von denen eine anklopfte und mit werbender Stimme ihre Dienste anpries, was im Inneren des Hauses begeistertes Johlen hervorrief. Sofort wurde die Tür aufgerissen.
    Als Markus an Jenzins Haus vorbeiritt, musste er den Drang niederzwingen, hineinzustürmen und nach Änne zu fragen.
    Vielleicht war sie gerade in diesem Augenblick dort, nur wenige Schritte von ihm entfernt! Vielleicht dachte sie sogar gerade an ihn. Nicht auszuschließen bei den Vorahnungen, die sie manchmal hatte.
    Doch die Fensterläden zur Offizin waren verschlossen. So blieb ihm ein Blick ins Haus verwehrt. Und diese Ratte von Apotheker war der Letzte, dem er trauen durfte, auch wenn Jenzin ihn und Änne in jener schlimmen Nacht hatte ziehen lassen.
    Markus wägte kurz ab, ob er nach links abbiegen und die Burg in Augenschein nehmen sollte, deren Wachmannschaft er noch vor anderthalb Jahren kommandiert hatte. Doch wie diese nun besetzt und bewacht war, konnte er später immer noch erkunden. Er hatte vermutlich schon genug Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Gewiss beobachteten ihn viele verborgene Augenpaare argwöhnisch durch Fensterluken und Türritzen – einen Fremden, dessen Gesicht zum größten Teil verhüllt war und der langsam durch die verlassen wirkende Stadt ritt, während er nach links und rechts Ausschau hielt.
    Wenn er seine Geschichte aufrechterhalten wollte, dass er hier beim Medicus Hilfe für seinen kranken Vater suchte, dann sollte er jetzt besser geradewegs zu Conrad Marsilius reiten. War Änne nicht dort, würde ihm diese Geschichte zugleich den Vorwand liefern, als Nächsten den Apotheker aufzusuchen.
    Trotz der Hoffnungslosigkeit, die jetzt jeder Stein in dieser Stadt verströmte, konnte er nicht verhindern, dass ihn die Vorfreude auf das Wiedersehen mit Änne mehr und mehr erfüllte.
    Allmächtiger Vater im Himmel, lass ihr nichts geschehen sein und sorge dafür, dass ich sie wohlbehalten wiederfinde!, betete er inbrünstig.
    Vor dem Haus des Arztes stieg er ab und band sein Pferd an. Sein Bündel nahm er mit sich und pochte energisch an die Tür.
    »Ein Reisender sucht ärztlichen Rat«, rief er durch die verschlossene Tür und griff vorsichtshalber mit der Rechten nach dem Dolch unter seinem Umhang.
    Eine Weile rührte sich nichts, dann hörte er Schritte.
    Ob ihm wieder die alte Magd öffnen würde, die so gotteslästerlich fluchte? Oder gar Änne selbst?
    Der Riegel wurde zurückgeschoben, die Tür einen Spalt geöffnet – und dann sah er direkt in das vertraut mürrische Gesicht des alten Arztes. Am liebsten hätte er ihn umarmt, diesen knurrigen, klugen, mutigen Mann.
    »Ich suche Euern Rat, Meister Marsilius«, wiederholte er und streifte seine Gugel ein Stück zurück.
    Jähes Erkennen huschte über das Gesicht seines Gegenübers, abgelöst von unverhoffter Freude.
    Der graubärtige Arzt zog ihn ins Haus, dann schloss er hastig die Tür hinter sich und packte Markus bei den muskulösen Oberarmen.
    »Wusste ich doch, dass dich hartgesottenen Kerl keiner so schnell umbringt!«, sagte er und lachte vor Freude – ein wirklich ungewohnter Anblick bei Conrad Marsilius.
    »Das verdanke ich Euch«, gab Markus zurück, genauso froh, den Verbündeten lebend anzutreffen.
    Schon schob ihn der Arzt in die Kammer, in der er seine Patienten behandelte, wenn er sie nicht unter ihren Häusern und Katen aufsuchte. »Hinein mit dir, Junge! Es schleichen zu viele Lauscher durch die Stadt, um an der Tür zu verweilen.«
    Doch Markus konnte die Fragen nicht länger zurückhalten, die für ihn in diesem Moment am wichtigsten waren: »Wo finde ich Änne? Geht es ihr gut? Ist sie hier?«
    Der Arzt räusperte sich, während sich eine merkwürdige Verlegenheit auf seinem Gesicht ausbreitete.
    »Ja. Es geht ihr gut«, sagte er, und Markus atmete auf, unendlich erleichtert.
    Im nächsten Augenblick jedoch war ihm zumute, als träfe ihn ein Hammerschlag vor die Brust. Erst glaubte er, sich verhört zu haben, aber die Miene des

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