Blut und Silber
könnt froh sein, wenn Marsilius sie nicht aus dem Haus jagt, sondern dieses Kind als seines anerkennt.«
Seine Worte schienen Markus nicht zu erreichen.
»Dauernd male ich mir aus, wie sie unser Kind im Arm hält. Am liebsten würde ich zu ihr fliegen und es liebkosen. Aber vielleicht hat sie es ja verloren? Oder sie ist bei der Geburt gestorben? So viele Frauen sterben dabei.«
Nun stützte er den Kopf in beide Hände. Die Schmerzen von den kaum verheilten Brüchen ignorierte er.
»Ob ich jemals aufhören kann, ihr nachzutrauern?«
»Da habe ich keine guten Nachrichten für dich«, murmelte Ulrich bitter.
Er hatte viele Frauen gehabt im letzten Jahr, seit er Sibylla in Prag getroffen und wieder verloren hatte. Was versuchte er nicht alles, um die Gauklerin mit den faszinierenden Augen zu vergessen!
Die Frauen hatten sich ihm geradezu an den Hals geworfen – die jungen Witwen ebenso wie vernachlässigte Eheweiber oder hübsche Mägde. Manche Jungfrau verzehrte sich vergeblich nach ihm. Doch sie waren ihm letztlich alle gleichgültig geblieben.
Eine Weile saßen die beiden Männer schweigend beieinander, tranken und versanken in Erinnerungen an die Zeit auf Freiheitsstein.
»Ich weiß nicht, ob es einfach die gemeinsam durchgestandene Gefahr ist, die uns an diese Frauen kettet«, meinte der Maltitzer schließlich, trübselig über seinen Becher blickend.
Markus schreckte aus seinen Gedanken auf. »Nein«, widersprach er. »Sie sind etwas Besonderes. Deshalb können wir sie nicht vergessen.«
Ulrich hieb ihm auf die Schulter. »Komm! Je eher wir die Mark Meißen zurückerobern, desto eher sehen wir sie wieder – du deine Änne und dein Kind und ich Sibylla!«
Handstreich in Rochlitz
E inmal mehr als königlicher Soldat verkleidet, ritt Markus den Bergsporn hinauf, auf dem stark und trotzig die Rochlitzer Burg emporragte.
»Wichtige Nachrichten für den Burgherrn!«, rief er, als er im Galopp das Tor passierte. Er warf einem Stallknecht die Zügel seines Braunen zu. Die Burgmannschaft schien eher gelangweilt als misstrauisch. Allem Anschein nach hatte es sich noch nicht bis hierher herumgesprochen, dass es gärte in der Mark Meißen.
Eine Gruppe Männer stand auf einer Seite des Hofes mit ein paar Huren beieinander und feilschte um Preise und die Reihenfolge, ein paar andere machten sich ein Vergnügen daraus, eine graue Katze mit Steinwürfen über den Hof zu jagen.
»Zum Kommandanten?«, fragte er knapp den Ersten, der seinen Weg kreuzte, einen missgelaunt und müde wirkenden Ritter in mittleren Jahren. »Dringende Botschaft des Statthalters.« Der Ritter winkte einen Knappen herbei und befahl ihm, den Boten nach oben zu führen. Schon ein paar Schritte weiter entdeckte Markus den Ersten seiner alten Wachmannschaft – Gero, der wie er in den Käfig auf dem Freiberger Burghof gesperrt worden war, bevor er mit den anderen Gefangenen durch Christians Pfad fliehen konnte. Es kostete Markus beträchtliche Beherrschung, durch nichts zu erkennen zu geben, wie sehr ihn das Wiedersehen freute.
Die anderen wussten bereits durch Nikol Weighart, dass er hier war und was er plante. Der aus Freiberg vertriebene Bürgermeister hatte am Abend zuvor ein paar von ihnen in einer Schankstube nahe dem Markt aufgesucht und ihnen unauffällig die Nachricht von der Ankunft ihres Hauptmannes zukommen lassen.
Noch am gleichen Abend besuchte Wilhelm, der heimliche Anführer der Freiberger in Rochlitz, das Fachwerkhaus mit dem gemalten silbernen Kelch über der Tür, in dem Nikol Weighart und nun auch Markus und Christian untergekommen waren. Der Silberschmied lebte hier bei seinem Schwager, der das gleiche Handwerk ausübte, und half ihm bei der Arbeit. Es wurde ein bewegtes Wiedersehen.
»Wir sind hier mittlerweile bald fünfzig Verschworene«, berichtete Wilhelm, ein gestandener Kämpfer mit narbenzerfurchtem Gesicht und grauem Haar. »Seit zwei Jahren warten wir auf den Tag, an dem wir Seite an Seite mit Markgraf Friedrichs Männern die Königlichen davonjagen. Sag mir, Hauptmann, dass dieser Tag naht!«
Markus bejahte frohen Herzens. »Großenhain ist schon in wettinischer Hand, von dort aus zieht Friedrich mit seinem Bruder und ihrer gemeinsamen Streitmacht durchs Land. Überall laufen ihnen die Menschen zu.«
»Kein Wunder«, meinte Weigharts Frau Katharina, während sie herumging und den Männern Bier einschenkte. »Sie haben die Herrschaft dieses Königs satt, dessen Kettenhunde Angst und Schrecken
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