Blut und Silber
soll ich denn tun, Herr?«, wehklagte die Amme, kaum weniger hilflos als er. »Sie gibt jetzt nicht eher Ruhe, bevor sie zu trinken bekommt.«
Friedrich vor ihnen hatte das Dilemma mitbekommen und hob den Arm zum Zeichen dafür, dass alle ihre Pferde zum Stehen bringen sollten.
»Sitzt ab und führt die Pferde weg vom Pfad!«, befahl er. »Die Amme soll meiner Tochter zu trinken geben.«
»Mein Fürst! Das kostet uns zu viel Zeit!«, wandte Albrecht von Sättelstedt besorgt ein. »Wir riskieren, dass sie uns entdecken. Je eher wir die Wartburg und Eisenach hinter uns lassen, umso sicherer sind wir.«
»Wir werden nicht weit kommen, wenn jemand meine Tochter weinen hört«, entgegnete Friedrich in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
Die Knappen führten die Pferde in dem strömenden Regen zu einem Fleckchen fast ohne Bewuchs, die Männer bildeten einen schützenden Ring um die Frauen, und während sie sich krampfhaft bemühten, nicht auf die Amme zu starren, legte diese das Kind an die linke Brust. Sofort hörte die kleine Elisabeth auf zu weinen und trank gierig. Dann ließ die Amme sie auch an der anderen Seite trinken, nahm das Kind hoch, klopfte auf seinen Rücken, bis es kräftig aufstieß, und redete leise auf es ein.
»Sie schläft gleich ein, Herrin«, wisperte sie dann, zu Elisabeth gewandt.
»Wir können weiter«, meinte die junge Mutter zu ihrem Mann. Der sah sie zweifelnd an.
»Wirst du das schaffen? Sollen wir nicht lieber hier warten, bis der Morgen graut? Ich will nicht, dass euch unterwegs etwas zustößt in der Dunkelheit. Das … ist es nicht wert.«
»Wir können reiten«, wiederholte Elisabeth fest. »Du sollst nicht unseretwegen Thüringen verlieren.«
Friedrich gab das Zeichen, und alle saßen wieder auf.
Sie erreichten das Kloster Reinhardsbrunn unangefochten, wenngleich völlig erschöpft. Wegen der Frauen und vor allem wegen des Säuglings hatten sie unterwegs mehrfach Rast einlegen müssen, so dass sie fast einen ganzen Tag bis zu ihrem Ziel brauchten. Doch auf Friedrichs Weisung hin hielten sie nirgendwo in einer Herberge oder Schankwirtschaft; er wollte möglichst wenig Aufmerksamkeit erregen.
Der Abt hieß die überraschend eingetroffenen Gäste willkommen und versicherte, unter Gottes und seinem Schutz seien die Gemahlin und die Tochter des neuen Landgrafen, die er selbst getauft hatte, sicher.
Während die Amme bereits im Gästehaus dabei war, ihren Schützling in trockene Sachen zu kleiden und ihm die Brust zu geben, blickte Elisabeth auf ihren Gemahl und biss sich auf die Unterlippe. Sie wusste, er wollte sofort weiterziehen, ostwärts in den Krieg. Und jedermann – er selbst sicher zuerst – erwartete, dass sie die Männer beherrscht und mit tapferen, höflichen Worten in den Kampf ziehen lassen würde, wie es sich für eine Fürstin geziemte.
Schon sammelte sie alle Kraft, um diese Pflicht zu erfüllen, ohne zu weinen oder ihm um den Hals zu fallen und ihn anzuflehen, bei ihr zu bleiben. Das war es, wonach ihr zumute war, weshalb sich ihr Herz zusammenkrampfte und in ihrer Kehle ein dicker Kloß zu stecken schien. Aber wenn sie das zeigte, würde er sie zurechtweisen und sich vielleicht sogar von ihr abwenden. Sie wollte ihn nicht enttäuschen.
Mitfühlend sah Friedrich auf seine junge Frau, die in ihren durchnässten Kleidern vor Kälte schlotterte. Er zog die Überraschte an sich und spürte, wie sie seine Wärme und seine Umarmung genoss. Dann strich er ihr eine blonde Strähne aus dem Gesicht, die sich beim Ritt gelöst hatte, und küsste sie.
»Bleib hier ohne Furcht und bitte Gott um Beistand in unserem Kampf!«
Er zögerte einen Augenblick, dann fügte er hinzu: »Du wirst mich jetzt wahrscheinlich lange Zeit nicht sehen. Lass dich nicht davon entmutigen! Meine Gedanken sind bei dir und unserem Kind.«
Noch einmal küsste er sie, trat zu seiner Tochter und streichelte ihre Wange. Danach verließ er den Raum mit großen Schritten, ohne sich umzudrehen.
Elisabeth sah ihm nach; für den Moment erleichtert darüber, dass er ihr eine Abschiedszeremonie vor aller Augen ersparte. Doch im nächsten Augenblick schien ihr die Trennung das Herz zu zerreißen. Sie sah auf ihre Tochter und kämpfte den Gedanken nieder, ob diese wohl je ihren Vater kennenlernen würde.
Dann zwang sie sich dazu, tief durchzuatmen und die Tränen zurückzudrängen. Zuerst musste sie dafür sorgen, dass Feuer in der Kammer gemacht wurde. Und danach würde sie sofort in die
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